„Geschehen unter Kontrolle“
Der Kreis Calw berechnet seinen eigenen Inzidenzwert und öffnet die Geschäfte. Keine Mauschelei, die Landes-verordnung erlaubt das.
Von wegen Trickserei mit Zahlen: Der Landkreis Calw wehrt sich gegen Vorwürfe, er rechne sich das Infektionsgeschehen im Kreisgebiet schön, damit Geschäfte und Museen öffnen können. „Wir setzen um, was die neue Verordnung der Landesregierung vorsieht“, sagt Landrat Helmut Riegger (CDU).
Nach der Corona-verordnung sind Lockerungen möglich, wenn es das regionale Infektionsgeschehen zulässt. Dazu wird das Geschehen im Kreis bewertet: Sind die Neuansteckungen diffus oder kommen sie vor allem in klar bestimmbaren Heimen oder Familien vor? Ist das Infektionsgeschehen eingrenzbar und auch nachzuverfolgen, kann das Gesundheitsamt die Fälle aus der Inzidenz herausrechnen.
Calw macht das. Täglich wird nachgerechnet: Wie viele der neu gemeldeten Fälle lassen sich lokal abgrenzbaren Ausbrüchen zuordnen, wie viele Fälle sind einem diffusen Infektionsgeschehen zuzuordnen. Mit den letztgenannten wird die bereinigte Inzidenz berechnet und einen Tag nach dem vom Landesgesundheitsamt ermittelten Wert veröffentlicht. Für Montag kam Calw auf einen Wert von 35,2, das Landesgesundheitsamt unbereinigt auf 51,5. Für Dienstag waren es 43,4 und 64,7.
Liegt die Sieben-tage-inzidenz stabil unter 50, dürfen Geschäfte wieder komplett öffnen – mit Maskenpflicht und begrenzter Kundenzahl. Die Reaktionen auf die so ermöglichte Öffnung im Kreis Calw seien gemischt gewesen, sagt Landkreis-pressesprecherin Janina Müssle. „Auf der Bandbreite von sehr positiv bis sehr negativ war alles dabei.“
Das Gesundheitsamt sei in der Lage, eine vollständige Kontaktpersonennachverfolgung zu gewährleisten. Diffuses und eingrenzbares Ausbruchgeschehen sei „fallscharf“voneinander abgrenzbar: „Ich kann ihnen versichern, dass nur solche Ausbrüche herausgerechnet werden, die klar abgrenzbar sind und deren Infektionsketten gesichert sind“, sagt Sprecherin Müssle. „Wir bewerten und analysieren alle Fälle sehr genau und betreiben eine strenge Kontaktpersonennachverfolgung. Daher haben wir das Infektionsgeschehen im Landkreis aktuell unter Kontrolle.“
Kippe das Geschehen, werde es diffus, sei es sofort vorbei mit den Lockerungen, so der Landkreis. Wichtig sei deshalb, dass die Hygieneund Abstandsregeln auch weiterhin genau beachtet werden.
Das Sozialministerium überprüft das Calwer Vorgehen. Dem Haus liege eine ausführliche Stellungnahme des Landkreises vor, sagte ein Sprecher. Die werde von den fachlich zuständigen Kolleginnen und Kollegen jetzt bewertet. Grundsätzlich könne das zuständige Gesundheitsamt das örtliche Infektionsgeschehen bewerten und ein nicht diffuses
Infektionsgeschehen eine Abweichung von den Schwellenwerten der Öffnungsschritte rechtfertigen.
Auch der Kreis Göppingen hatte zum Montag Öffnungen im Handel und von Museen und Tiergärten wieder erlaubt – mit Abstandsregeln und Hygienevorschriften. Am Samstag soll es mit den Lockerungen aber schon wieder vorbei sein.
Weil die Ursache für die erhöhte Inzidenz auch im Kreis Göppingen kein diffuses Infektionsgeschehen war, sondern bekannte Ausbrüche in Heimen, Kitas und Familien, hatte das Gesundheitsamt am Wochenende das Infektionsrisiko noch unter der Marke von 50 gesehen.
Täglich neu bewertet
Täglich wird die Lage auch in Göppingen neu berechnet und bewertet. Dienstagabend war dann schon die Vollbremsung notwendig: Die Inzidenz sei deutlich über 50 gestiegen, teilte das Landratsamt mit. Das Geschehen sei nun diffus, Infektionsketten konnten nicht mehr unterbrochen werden. Deshalb gelten voraussichtlich von Samstag an wieder verschärfte Corona-regelungen mit Einkaufen im Einzelhandel nach Terminabsprache, Museumsbesuchen mit Terminbuchung und Individualsport draußen nur mit maximal fünf Personen aus zwei Haushalten.