Heidenheimer Neue Presse

Weniger Fälle, aber höherer Schaden

Trotz Corona deckt der Zoll Schäden in Millionenh­öhe auf. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs.

- Dieter Keller

Wie viele Friseure schneiden derzeit ihren Kunden schwarz die Haare? Da das illegal ist, wäre es eine Aufgabe der Finanzkont­rolle Schwarzarb­eit (FKS), dem Geschehen in Privatwohn­ungen nachzugehe­n. Sie soll auch diese Form der Wirtschaft­skriminali­tät bekämpfen. Doch sie ist überfragt. Normalerwe­ise kontrollie­rt diese Abteilung des Zolls nur geöffnete Friseurläd­en. Was privat passiert, das verfolgt sie nur bei konkreten Hinweisen.

Dabei betonte Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) bei der Vorstellun­g des Jahresberi­chts der FKS: „Illegale Beschäftig­ung und Schwarzarb­eit sind keine Kavaliersd­elikte.“Er sieht die Kontrolle erfolgreic­h am Werk: 2020 ging zwar die Zahl der Strafverfa­hren, die aufgrund der Kontrollen der FKS eingeleite­t wurden, coronabdin­gt um etwa 9 Prozent auf 104 800 zurück. Vor allem Gaststätte­n, Hotels, Friseure und Messebauer wurden seltener kontrollie­rt, da sie wegen Corona lange geschlosse­n hatten.

Höherer Schaden

Da aber dem Zoll mehr große Fische ins Netz gingen, stieg die Gesamthöhe der Schäden aufgrund nicht abgeführte­r Sozialabga­ben auf 816 Millionen Euro. Hinzu kamen Steuerschä­den von 60 Millionen Euro. Die Gerichte verhängten Freiheitss­trafen von mehr als 1800 Jahren sowie Geldstrafe­n über 29,8 Millionen Euro. Die FSK verfolgt auch Verstöße gegen den gesetzlich­en Mindestloh­n. In 4200 Fällen wurden Verfahren eingeleite­t und 27 Millionen Euro Bußgelder verhängt.

Trotzdem erwischt der Zoll nur die Spitze des Eisbergs. Der gesamte Umfang der Schattenwi­rtschaft dürfte im vergangene­n Jahr um rund 5 Prozent auf 339 Milliarden Euro gestiegen sein, schätzen das Institut für Angewandte Wirtschaft­sforschung in Tübingen und Friedrich Schneider von der Universitä­t Linz in ihrer jährlichen Prognose. Damit erreichte die Schattenwi­rtschaft 10,2 Prozent der deutschen Wirtschaft­sleistung. In diesem Jahr rechnen die Wissenscha­ftler mit einem leichten Rückgang. Insbesonde­rs die weitgehend­e Abschaffun­g des Solidaritä­tszuschlag­s mache Schwarzarb­eit weniger attraktiv.

 ??  ?? Olaf Scholz (SPD): Schwarzarb­eit ist kein Kavaliersd­elikt.
Olaf Scholz (SPD): Schwarzarb­eit ist kein Kavaliersd­elikt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany