„Popmusik“mit Dada im Gehäuse
Musikkabarettist Rainald Grebe präsentiert auf seinem neuen Album vielseitige Songs mit unbequemen Inhalten.
Populär ist Rainald Grebe ja. Vielleicht nicht auf der Schwäbischen Alb, aber in Brandenburg, dem Bundesland, dem er seinen wohl bekanntesten Song geschenkt hat, könnte er jederzeit erkannt werden, wenn da außer den Wölfen noch jemand wäre. Ein Popstar ist der Musikkabarettist und Chansonnier zwar noch nicht, aber das will er jetzt ändern: „Popmusik“(Tonproduktion Records/rough Trade) heißt sein neues Album, das ist schon eine Ansage von einem, der mit seinen Liveshows lieber verstört als betört.
Erwartungsgemäß geht der 49-Jährige die Mission aber völlig falsch an: Seine „Popmusik“, entstanden in Kooperation mit dem Kölner Indie-pop-produzenten Martin Bechler alias Fortuna Ehrenfeld, ist weniger radiotaugliche Schmeichelmusik als durchgeknallter POST-NDW. Der Opener „Wissenschaft ist eine Meinung“reiht Gaga-sätze wie „Ich bin verwirrt, ich hab Couscous im Gehäuse“über einen Disco-beat aneinander: Grebe bringt nicht nur die Verhältnisse zum Tanzen, sondern auch die Verwirrung der Gegenwart. „Der Klick“(angelehnt an die Band Trio) zeigt dann die Folgen des ewigen Geklickes im Internet, überall nur Leere und immer der gleiche Reim. Dada und „Da Da Da“.
„Popmusik“ist eine unbequeme Platte. Die grundlegende Frage ist: Wie kann man eine „meganice
Zeit“haben, wenn gleichzeitig die AFD vom „Fliegenschiss“faselt und die Gletscher schmelzen? Grebe nimmt die Pop-wellness der Mark Forsters und Max Giesingers auseinander, das Kollwitzplatz-biedermeier, das sich an Rosskastanie-rosmarin-eis labt, aber von Lampedusa nix wissen will. Leute wie „Dörte“, die er schon in der Vergangenheit besang, und die in seiner Nachbarschaft am Prenzlauer Berg reichlich vertreten sind.
Grebe ist aber kein kulturpessimistischer Stänkerer, sondern ein einfühlsamer Liedermacher. Er lässt eine Stewardess melancholisch auf ihr Leben in den Lüften zurückblicken, einen Bergmannschor sentimental Bette Midlers „Die Rose“singen und erzählt in „Die Tournee“vom eigenen Künstlerleben im Hamsterrad: „Hallo Darmstadt, wir danken Ihnen, Sie haben Freude, wir Routine.“Am Schluss wartet „Der Tod“. Grebe, der selbst in den vergangenen Jahren gesundheitliche Probleme hatte, blickt ihm mit Respekt, aber ohne Furcht ins Gesicht.