Ignorierte Mitsprache
Wenn die Hütte brennt, dann diskutiert man nicht, welchen Wassereimer man nimmt oder wie die Versicherung geregelt ist. Man ruft die Feuerwehr. Später, wenn das Feuer gelöscht ist und es darum geht, wie das Haus wieder aufgebaut und vor neuen Flammen geschützt werden kann, ist das anders. Dann berät man sich, welches der beste Weg ist. Dieses Vorgehen sorgt dafür, dass alle verstehen, worum es geht, und dafür, dass jeder ein Mitspracherecht hat.
In der Corona-pandemie ist diese Mitsprache leider zu oft in Vergessenheit geraten. Der Bundestag war gut genug, die epidemische Lage feststellen zu lassen, als die Hütte im vergangenen Frühjahr tatsächlich brannte und die Infiziertenzahlen in die Höhe schossen. Er gab dem Bund damit freie Hand, schnell zu handeln. Das Parlament war auch bereit, im November
gegen Widerstände die Neufassung des Infektionsschutzgesetzes zu beschließen, das der Bundesebene erneut weitgehende Handlungsmöglichkeiten gab.
Als es jetzt darum ging, wer zuerst geimpft werden soll, wurde das Parlament nicht gefragt. Dabei geht es hier durchaus um elementare Fragen, die das Volk durch seine Vertreter beschließen lassen sollte. Vermutlich hätte sich zwar auch ein Bundestagsbeschluss nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission gerichtet, wie es die Verordnung von Gesundheitsminister Jens Spahn tut. Der Unterschied ist aber: Der Souverän, das Volk, hätte dieser Prioritätensetzung zugestimmt. Dieser Makel ist nicht profan, er berührt die Vertrauenswürdigkeit politischer Prozesse. Und sage keiner, es habe schnell gehen müssen. Seit zum ersten Mal die Hütte brannte, sind neun Monate vergangen.