Zukäufe, Personalabbau und Corona
Die Pandemie hinterlässt deutliche Spuren in der Bilanz des Heidenheimer Maschinenbauers. Konzernchef Toralf Haag ist dennoch zufrieden, rechnet aber nicht mit einer schnellen Erholung.
Der Voith-konzern ist der größte Arbeitgeber in der Stadt Heidenheim. Deshalb werden die Zahlen, die das Unternehmen hier einmal im Jahr auf einer Bilanzpressekonferenz vorlegt, mit besonderer Aufmerksamkeit wahrgenommen. Zumal das Zahlenwerk auch ein Zeugnis für die Arbeit des vergangenen Geschäftsjahres ist.
Messen lassen muss sich das Unternehmen an den Zahlen der Branche, die sehr stark an den Auswirkungen der Corona-krise leidet. Der Maschinenbauverband VDMA rechnet für seinen Wirtschaftszweig in diesem Jahr mit einem Umsatzrückgang von etwa 14 Prozent. Da fällt das Voith-minus von etwa drei Prozent positiv auf. Allerdings verdient diese Zahl eine genauere Betrachtung. „Bereinigt um Währungseffekte und Zukäufe liegt das Minus bei sechs Prozent“, sagt Egon Krätschmer, Geschäftsführer Finanzen und Controlling.
Ohne seine Expansionsstrategie wäre das Einnahmen-minus im Geschäftsjahr 2019/20 also noch deutlicher ausgefallen. Rund 450 Millionen Euro investierte Voith vor allem in Übernahmen in den Sparten Papier und Antriebstechnik. „Gleichzeitig haben wir unsere Ausgaben für Forschung und Entwicklung fast auf dem Vorkrisenniveau gehalten“, sagt Dr. Toralf Haag, Vorsitzender der Konzerngeschäftsführung.
Durch die Übernahmen stieg die Zahl der Mitarbeiter um 1140. Hier ist bereits einberechnet, dass der Konzern in anderen Bereichen rund 500 Stellen gestrichen hat. Durch die Zukäufe verändert sich die Mitarbeiterstruktur. Die Bedeutung der deutschen Standorte nimmt ab, während mehr Beschäftigte europäischen Niederlassungen zugeordnet sind. Diesen Trend wird auch der in diesem Jahr für Heidenheim abgeschlossene Standortsicherungspakt nicht ändern, denn er sieht bis zum Ende seiner Laufzeit im Jahr 2026 den Abbau von 600 Arbeitsplätzen vor, die allerdings ohne betriebsbedingte Kündigungen wegfallen sollen.
Sorgenkind Hydro
Größtes Sorgenkind von Voith bleibt die Hydro-sparte. Hier halbierte sich fast der Auftragseingang im abgelaufenen Geschäftsjahr auf 867 Millionen Euro. Der Vorsteuergewinn fiel um 80 Prozent auf zehn Millionen Euro. „Durch die Corona-krise kam es zu zahlreichen Baustellenschließungen und verzögerten Ausschreibungen“, erklärt Krätschmer die Entwicklung.
Mehr Freude hat Konzernchef Haag mit seinen Sparten Papier und Antriebstechnik – allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Denn während bei der einen aller Krisenstimmung zum Trotz der Umsatz auf 1,8 Milliarden
Euro stieg, hat der Bereich Antriebstechnik seine Umstrukturierung abgeschlossen. Als Ergebnis wurden die drei Turbo-standorte Sonthofen, Zschopau und Mülheim in den vergangenen Monaten geschlossen. Rund 500 Mitarbeiter wechselten in eine Transfergesellschaft. Das sorgte nicht nur in Bayern und in Heidenheim für Proteste. Rechnet man zu Umstellungsproblemen noch die Corona-effekte hinzu, ist der Umsatzrückgang um vier Prozent, bei dem allerdings auch ein Zukauf eingerechnet wurde, ein vergleichsweise guter Wert.
Ein Verlustbringer bleibt die Sparte Digital Ventures. Zwar stieg der Umsatz auf 65 Millionen Euro, dennoch bleibt der Bereich trotz großer Anstrengungen beim Vorsteuerergebnis in den Miesen.
Für das Geschäftsjahr 2020/21 wird nun erneut ein Umsatzsprung auf 100 Millionen Euro angepeilt. Ganz neu ist dieses Ziel nicht, sondern war vom damaligen Spartenchef schon einmal für das Geschäftsjahr 18/19 angepeilt worden.
Projekt abgeschlossen
Auch der Heidenheimer Stadtkämmerer wird die Voith-bilanz mit Interesse lesen. Interessant für ihn dürfte die Aussage von Krätschmer sein: „Das Steueroptimierungs-projekt ist abgeschlossen“. Mit diesem Vorhaben sollte die Steuerlast des Unternehmens im vergangenen Jahr auf 30 Prozent gesenkt werden. Allein durch diesen Effekt, beispielsweise durch eine bessere Nutzung von Abschreibungen am
Standort Heidenheim sei der Nettogewinn um rund 18 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2018/19 gestiegen, hatte Konzernchef Haag diese Aktivitäten vor zwei Jahren begründet. Das mehr an Planungssicherheit nützt dem Kämmerer in diesem Jahr aber nichts, denn durch die Krise brach der Nachsteuergewinn des Konzerns um über 90 Prozent auf sechs Millionen Euro ein. Da bleibt nicht mehr viel, zur Umverteilung in die Stadtkasse.
Echte Erholung erst nach 2021
Mit einer schnellen Rückkehr in die Normalität rechnet Voith jedoch nicht. 2021 werde ein Übergangsjahr, eine echte Erholung sei erst später zu erwarten. Er gehe von einer leichten Steigerung beim Umsatz und Gewinn aus, zu dem dann auch die erwartete Erholung der aktuellen Krisensparte Hydro beitragen soll, so der Konzernchef. Bleibt noch die abschließende Zeugnisbewertung für diese Krisenbilanz durch Topmanager Haag: „Der Voith-konzern ist gut aufgestellt, um gestärkt aus dieser beispiellosen Krise hervorzugehen und sich mittel- und langfristig positiv zu entwickeln.“