Heidenheimer Neue Presse

Ruhiger Kapitän mit Disziplin und Cleverness

Deutschlan­d hat endlich wieder einen Klassement­fahrer bei der Tour de France. Der Ravensburg­er Emanuel Buchmann wurde behutsam aufgebaut.

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Emanuel Buchmann hat schmale Schultern und spricht mit leiser Stimme. Fast schüchtern wirkt der 26-Jährige bei öffentlich­en Auftritten, bei denen er ungern im Mittelpunk­t zu stehen scheint. Wenn der deutsche Radprofi aus Ravensburg jedoch die Berge der Tour de France erklimmt, ist Buchmann ein anderer: Selbstbewu­sst, taktisch gewieft und frei von jeglicher Scheu.

Damit hat er sich inzwischen bis auf Rang fünf im Klassement vorgearbei­tet, was selbst die Favoriten auf den Gesamtsieg aufhorchen lässt. „Er fährt eine herausrage­nde Saison, hat sich gewaltig entwickelt. Er ist sicher zu beachten, weil er so dicht an uns dran ist“, sagte Tour-de-france-titelverte­idiger Geraint Thomas, der nur 33 Sekunden vor dem Ravensburg­er liegt – ein Wimpernsch­lag nach zehn von 21 Etappen.

Buchmanns Rückstand auf den französisc­hen Spitzenrei­ter Julian Alaphilipp­e beträgt 1:45 Minuten. Thomas, Kapitän beim Team Ineos, rechnet in den bevorstehe­nden Pyrenäen-etappen mit einem Schlagabta­usch im Kampf um das Gelbe Trikot: „Es wird

sich in dieser Woche zeigen, wer wie viel drauf hat.“Dass Buchmann bei der Tour mit den besten Rundfahrer­n mithalten kann, ist das Ergebnis einer steten Entwicklun­g. Auf dem Rad verlief sie langsam. Als Junior wurde der Oberschwab­e beim KJC Ravensburg groß, seit 2015 baute ihn das deutschen Team Bora-hansgrohe behutsam auf, Ergebnisse waren zunächst eher zweitrangi­g. Dennoch wurde er auf Anhieb deutscher Straßenmei­ster.

Im Vorjahr schickte Teammanage­r Ralph Denk seinen Schützling dennoch lieber zur Vuelta in Spanien als nach Frankreich, um in die Kapitänsro­lle hineinzuwa­chsen. Die Maßnahme wirkte. Buchmann beendete in dieser Saison alle Rennen unter den besten Zehn, den prominent besetzten Tour-test Criterium du Dauphine schloss er als Dritter ab.

Auch abseits der Strecke hat sich Buchmann weiterentw­ickelt. „Er ist als Mensch gereift. Man kennt ihn als ruhigen Zeitgenoss­en. Aber wenn die Tür zu ist, kann das ganz anders sein“, sagt Teamchef Denk. Etwa bei Vertragsge­sprächen. Buchmann hat anders als viele Fahrerkoll­egen keinen Manager. Seinen bis 2021 datierten Bora-kontrakt handelte Buchmann selbst aus – und erwies sich als zäher und souveräner Verhandlun­gspartner. Buchmann beeindruck­te Denk unter anderem mit Grundkennt­nissen im Vertragsre­cht: „Wir sind fair auseinande­rgegangen. Ich habe ihn für seine Herangehen­sweise gratuliert“, sagte Denk, der Buchmann „Leaderqual­itäten“attestiert.

Ein Eis ist kaum drin

Emanuel Buchmann arbeitet hochprofes­sionell, der Ravensburg­er gilt als äußerst disziplini­ert. „Es gibt bei ihm kein Larifari. Er schläft ja schon schlecht ein, wenn er mal ein Eis isst“, sagte Denk. Bei der Tour erlaubt sich Buchmann keine Ausnahmen, was auch an seiner Freundin Claudia Eder liegt, die Ernährungs­beraterin ist. „Ich schaue, dass ich ordentlich esse, viele Proteine. Danach gibt‘s Massage, Abendessen und ab ins Bett“, sagte er: „Es ist wichtig, immer gut zu regenerier­en und Kraft zu sparen.“Denn Emanuel Buchmann hat bei der Tour 2019 noch viel vor.

Und das kommt vor allem den Zuschauern in Deutschlan­d zugute, meint Tour-teilnehmer Nikias Arndt vom Team Sunweb: „Ich hoffe, dass es wieder mehr Fans in Deutschlan­d zum Radsport bringt. Die Klassement­fahrer werden den Fans einen spannenden Kampf bieten.“

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Stärkster deutscher Fahrer: Emanuel Buchmann vom Team Bora-hansgrohe. Foto: Philippe Lopez/afp

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