Traumatisierte Zwangsgemeinschaft
KRITIK „Shockheaded Peter“am Thalia-Theater ist unterhaltsam
Es herrscht Nachholbedarf in den Hamburger Theatern. Zum Auftakt der neuen Spielzeit bringt das Thalia „Shockheaded Peter“auf seine Bühne – nachdem das Stück wegen Corona zweimal verschoben werden musste und im Frühjahr einmalig online aufgeführt worden war. Nun ist die verrückte Version der „Struwwelpeter“-Geschichten endlich live zu erleben.
Im Mittelpunkt stehen die bekannten Kinder aus dem Bilderbuch. Einst sollten ihre Horror-Schicksale eine Mahnung für unartige Altersgenossen sein, heutzutage kann man sie ganz anders lesen. Und so treten die Figuren vom Daumenlutscher, Suppenkaspar, Zappelphilipp, Hans-guck-indie-Luft oder dem titelgebenden Struwwelpeter als eine unglückliche, hilflose, verstörte, traumatisierte Zwangsgemeinschaft auf. Von den Eltern verlassen und auf sich allein gestellt, versuchen sie, mit ihrer Situation
klarzukommen. So weit, so trist. Doch im Zentrum dieser „Junk-Oper“stehen die Songs der musikalischen Bizarr-Poeten Tiger Lillies, deren morbider Charme von den tollen Darsteller:innen und der LiveBand grandios umgesetzt wird (Regie: Peter Jordan und Leonhard Koppelmann).
So ist das kurze KostümSpektakel ein unterhaltsamer und bravouröser Start ins neue Theaterjahr, das hoffentlich ohne weitere Schließzeiten auskommen wird. Denn das wäre wirklich der Horror für alle Beteiligten!
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