Baustellen-Chaos: Brandbrief der Verkehrsverbände
Kritik auch von der CDU. Die Behörde und der Verkehrssenator reagieren vehement
Seit Anfang Juli ist der Hamburger Süden in einem StauChaos versunken: Strecken von normalerweise 15 Minuten können sich jetzt bis zu anderthalb Stunden ziehen. Grund sind die elf Baustellen, die zeitgleich im Hamburger Hafen oder in den Zufahrtsstraßen liegen. In einem Brandbrief haben sich jetzt mehrere Verbände direkt ans Rathaus gewandt – und erheben schwere Vorwürfe.
Unterschrieben ist der Brief, der der MOPO vorliegt, von den Vorständen der Hamburger
Spediteure, des Unternehmensverbands Hafen Hamburg und des Verbands Straßengüterverkehr und Logistik. Der Empfänger? Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). Zunächst hatte das „Abendblatt“berichtet.
„Wir wenden uns mit diesem Schreiben an Sie, da die aktuelle Verkehrssituation in Hamburgs Süden einen Zustand erreicht hat, der für die Hafen- und Logistikwirtschaft nicht länger hinnehmbar ist“, steht dort. Seit dem 5. Juli sei festzustellen, dass der Straßenverkehr und damit auch der Güterverkehr auf den Autobahnen, Bundes- und Hauptverkehrsstraßen in Hamburg in den Hauptverkehrszeiten zum kompletten Stillstand komme.
Ein besonders großer Eingriff ist die Deckschichtsanierung vor den Elbbrücken in Richtung Innenstadt. Zwei von drei Spuren werden hier bis in den September hinein gesperrt. Dazu kommen noch sechs geplante und temporäre Vollsperrungen. Zeitgleich ist die B75 ab Wilhelmsburg-Mitte bis zu den Elbbrücken abgeriegelt.
„Für Hamburg als Wirtschaftsmetropole mit einem Welthafen ist es kein positives Aushängeschild, wenn der Straßenverkehr komplett zum Erliegen kommt“, bemängeln die Verfasser des Briefes und schreiben von einem mittelständischen Unternehmen in Rothenburgsort, das für eine Neun-Kilometer-Strecke inzwischen anderthalb bis vier Stunden mit dem Lkw brauche.
„Wir haben bedauerlicherweise den Eindruck bekommen, dass sich die Verkehrsbehörde leider nicht der Tragweite dieser Situation vollumfänglich bewusst ist“, bemängeln die Verbandschefs. Dem stimmt die CDU zu und urteilt vernichtend: „Hamburgs Verkehrspolitik ist unter SPD und Grünen
eine Geschichte voller Pleiten, Pech und Pannen“, sagt der Fraktionsvorsitzende Dennis Thering. „Die einseitige Fokussierung aufs Fahrrad und dabei alle anderen
Verkehrsteilnehmer im Stich zu lassen, das darf Bürgermeister Peter Tschentscher nicht länger hinnehmen.“Die Situation sei ein grünroter Verkehrsinfarkt mit
Ansage gewesen.
Vehementer Widerspruch dazu aus der Verkehrsbehörde. „Die Situation hat sich in den vergangenen Tagen bereits verbessert, seit die A1 in Richtung Lübeck wieder dreispurig ist“, sagt Sprecher Dennis Krämer der MOPO. „Und auch der Zubringer der A255 zur A1 ist wieder offen.“
Er betont die Notwendigkeit der derzeitigen Sanierungen. „Bei diesen Straßen wurde fast 20 Jahre lang nichts gemacht und jetzt können wir sie noch kontrolliert erneuern“, so Krämer. „Wenn wir warten würden und im Winter auf einmal Schäden auftreten, müssten wir von heute auf morgen für längere Zeit eine Vollsperrung einrichten.“Um die Infrastruktur auch in Zukunft aufrechtzuerhalten, seien die Baustellen unvermeidbar.
Auch Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) wehrt sich bei Radio Hamburg gegen die Vorwürfe. „Wir stehen häufiger vor der Situation, so einen Ritt auf der Rasierklinge zu haben, wo wir wissen, es wird eng und schwierig, dazu gibt es immer eine klare Kommunikation“, so der Politiker. Allerdings müsse man auch selbstkritisch sein. „Diesmal war es sozusagen so, wie wir es definitiv nicht haben wollten. Aber wir bauen an den Hauptschlagadern der Stadt und der Bundesrepublik und das geht nicht, ohne dass es jemand merkt.“
Auf den Brief hat der Bürgermeister noch nicht reagiert, für Pendler gibt es aber gute Nachrichten. Ab Samstag soll die A1 von Billstedt Richtung Hamburg-Süd geöffnet werden. „Wenn das Wetter mitspielt, kann am Montag auch die A255 bei der Anschlussstelle Veddel in beide Richtungen zur B75 befahren werden“, sagt Krämer.AuchdieB75inRichtung Harburg und Centrum sowie die Anschlussstelle Georgswerder seien dann wieder offen.