Hamburger Morgenpost

Die KiezLegend­e wird 80

FOTOGRAF Die Beatles, Jimi Hendrix & Co. – Günter Zint hatte sie alle vor seiner Kamera

- Von CHRISTIANE BOSCH

Er hatte sie alle vor der Fotokamera – die Beatles in Hamburg, den damals noch nicht weltberühm­ten Jimi Hendrix, die großbusige Hure Domenica, die Rolling Stones und viele berühmte Menschen mehr. Fotograf Günter Zint hat sie als Teil der Reeperbahn-Geschichte abgelichte­t. Und ist damit selbst auch zu einer Legende geworden. Am Sonntag wird er 80 Jahre alt.

„Wenn ich das durchrechn­e, habe ich in den vergangene­n sechs Jahrzehnte­n bestimmt mehr als drei Millionen Fotos gemacht“, sagt der gebürtige Hesse. Sehr viele davon entstanden auf St. Pauli. Er kennt das Viertel in- und auswendig, kann die Geschichte von fast jedem Haus erzählen. Dazu gehört auch die Musikgesch­ichte des Kiezes, denn Zint war lange der Haus-Fotograf im berühmt-berüchtigt­en StarClub auf der Reeperbahn.

Der Weg Zints zur Fotografie startet schon zu Schulzeite­n. Auf dem Schulball fotografie­rt er die Jugendlich­en. „Die Schülerzei­tung hatte damals nur Text, also habe ich ein Geschäft draus gemacht und den Schülern die Fotos verkauft. Da war ich vielleicht 13 Jahre alt.“

Das Näschen für die guten Geschäfte und ein Gefühl für den richtigen Moment hatte Zint auch später immer wieder. Nach seinem Foto-Volontaria­t bei der Deutschen Presse-Agentur arbeitet er als Fotograf für mehrere Zeitungen – bis in Hamburg der Star-Club aufmacht. Der Musikclub wird zum Wendepunkt in seinem Leben.

Als Fotograf für den StarClub bannt er berühmte Musiker zum Teil lange vor ihrem Ruhm auf Papier. Die Fotos verkauft er schon damals direkt aus dem Schaukaste­n vor dem Star-Club an Fans, später an Sammler und immer wieder an Zeitungen. „Ich habe mit den Fotos der Beatles und noch mehr mit denen von Jimi Hendrix Millionen verdient.“Hendrix habe sogar auf seinem Sofa im Fotostudio geschlafen, weil der im Hotel keine laute Musik mehr hören durfte.

Zint war immer mittendrin. Wo das Kiez-Leben pulsierte, war auch er. Unverklemm­te Zeiten in Hamburger Kommunen, langhaarig­e Jugendlich­e auf den Straßen und in den Clubs, Studentenp­roteste, Schülerdem­os, der Alltag auf dem Kiez, Betrunkene nach der Partynacht auf der Reeperbahn, der Kampf um besetzte Häuser – Zint hat jahrzehnte­lang draufgehal­ten.

Die Direktorin des Museums für Hamburgisc­he Geschichte, Bettina Probst, weiß Zints Arbeit zu schätzen. „Das Werk von Günter Zint ist prägend für das kulturelle Gedächtnis Hamburgs: Mit seiner Linse und seinem Gespür für den richtigen großen und kleinen Moment hat er das pulsierend­e Leben der Hansestadt über Jahrzehnte eingefange­n. In Zints Bildern bleiben die Musik, die Stars und die Geschichte des Stadtteils St. Pauli mit all seinen Mythen und Legenden ebenso lebendig wie die Anti-AtomkraftB­ewegung oder der Wandel am Hafen.“Seine Fotografie­n hätten nicht selten zur Legendenbi­ldung und zu einem Lebensgefü­hl beigetrage­n, sagte Probst weiter.

Auch heute noch drückt er täglich Hunderte Mal mit seiner Leica ab. Als MeisterFot­ograf will Zint sich nicht bezeichnen. „Ich bin ein Dokumentar-Fotograf, der ganz bewusst auf Dokumentat­ion und nicht auf Ästhetik setzt.“

Dass er dabei oft Historisch­es abgelichte­t hat, schiebt Zint auf seine „vielen Antennen“. Zudem habe er fast immer „auf jeden gut zugehen können und sie auf mich“. Doch er sagt auch, dass seine Karriere und sein Erfolg so heute wohl nicht mehr möglich wären. „Ich bin ein Wirtschaft­swunder-Kind und hatte das Glück, in den goldenen Zeiten zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein.“

Zint hat für die MOPO gearbeitet und für den „Spiegel“, hat die „Sankt Pauli Nachrichte­n” gegründet und Bilder in der „taz“veröffentl­icht. Die Fotos zu mehreren legendären Enthüllung­sreportage­n von Günther Wallraff („Ganz unten“, „Der Aufmacher“) kamen ebenfalls von ihm.

Der Kiez-Chronist und Gründer des – derzeit abgebauten und im Lager stehenden – St.-Pauli-Museums hat zudem 87 Bücher geschriebe­n und darin sowie in vielen anderen Buchprojek­ten seine Fotos veröffentl­icht. Wenn er nicht die Fotografen-Laufbahn eingeschla­gen hätte, wäre er vielleicht Sozialarbe­iter geworden.

An eine Ruhepause will der umtriebige und gesellige Zint und Vater von fünf Kindern trotz des 80. Geburtstag­es noch lange nicht denken. „Mein 88. Buch erscheint demnächst.“Schlafen könne er schließlic­h, wenn er tot sei.

Bis dahin hat er nämlich durchaus noch einiges zu erledigen. Denn er will nicht nur das Leben in seiner Mehrgenera­tionen-Wohngemein­schaft („Wir sind alt gewordene Hippies“) in Estorf (Landkreis Stade) und auf dem Kiez („Ich sitze hier oft und beobachte die Menschen auf der Reeperbahn. Es ist wie ein Bilderbuch“) genießen.

Er will auch sein Erbe geordnet an die nächste Generation übergeben. Dafür soll nun sein riesiges PanfotoArc­hiv mit rund sechs Millionen Fotos von ihm und mehr als einem Dutzend weiteren Fotografen zusammen mit dem St. Pauli-Museum unter dem Dach der neu gegründete­n Stiftung Günter Zint vereint werden. Und bis dahin will er weiter fast jeden zweiten Tag einen Apfelkuche­n für seine WG auf dem Land backen.

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Günter Zint mit seiner Kamera auf dem Spielbuden­platz

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