„Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr feststellen, dass man Geld nicht essen kann.“*
Es wird zu wenig nachgepflanzt. Der Senat gelobt Besserung
Jahrzehntelang hat sich Hamburg gerühmt, die grünste Großstadt des Landes zu sein. Und was ist daraus geworden? Mit einer Großen Anfrage fühlt die CDU der Hamburger Regierung auf den Zahn, prangert den immer kleiner werdenden Baumbestand an. Und der Senat? Der gelobt kleinlaut Besserung – pikant angesichts der Tatsache, dass sich seit 2015 die Grünen die Macht mit der SPD teilen.
In dieser Zeit ging die Zahl der Straßenbäume in Hamburg nämlich um 3495 zurück: 10 649 Exemplare wurden gefällt, aber nur 7154 nachgepflanzt. Angesichts von mehr als 220 000 Straßenbäumen sowie rund 600000 Bäumen in Parks und Grünanlagen keine dramatischen Zahlen. Für eine Stadt, die seit fünf Jahren von einer Öko-Partei mitregiert wird, allerdings auch kein Ruhmesblatt.
„2015 hatten die rot-grünen Koalitionäre noch vereinbart, das Nachpflanzdefizit zu ,beheben‘ und den Straßenbaumbestand ,zu erhalten‘“, erinnert Hamburgs BUND-Chef Manfred Braasch. Das Ziel stand sogar im Koalitionsvertrag – wurde jedoch nicht erreicht.
„Der Senat sieht die Abnahme des Straßenbaumbestandes mit großer Sorge“, heißt es in der Antwort auf die Große Anfrage. „Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, wird der Senat seine Bemühungen zum langfristigen Schutz und Erhalt der Straßenbäume und hier insbesondere zum Schutz des Bestands an Altbäumen intensivieren.“Auch das wurde im – neuen – Koalitionsvertrag festgehalten. „Aber Papier ist bekanntlich geduldig“, so Braasch.
Er erwartet, dass Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) nach der Sommerpause Personal und finanzielle Mittel für Hamburgs Baumschutzprogramm präsentiert – und mahnt gleichzeitig, dass die Behörde die Dunkelziffer an gefällten Bäumen in unserer Stadt in ihren Plänen berücksichtigen muss. Hunderte Bäume würden jährlich auf privatem Grund gefällt, ohne dass dies statistisch erfasst wird.
Tatsächlich sind die Exemplare an Hamburgs Straßen die einzigen, über die genau Buch geführt wird – im Straßenbaum-Kataster. Gefällt werden sie in der Regel nach Stürmen, aufgrund von Wohnungs- oder Straßenbaumaßnahmen oder weil der Straßen-Stress mit all dem Lärm und all den Abgasen sie krank gemacht hat. Bestes Beispiel ist aktuell der Umbau am Ballindamm. Um den Verkehr neu zu ordnen, mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger zu schaffen und die Aufenthaltsqualität zu verbessern, wurden dort mehrere Linden gefällt – aber nicht eins zu eins nachgepflanzt.
„Die alten Bäume wurden in Trichter gepflanzt, konnten sich nicht weiter entfalten“, sagte Falko Droßmann (SPD), Bezirksamtsleiter Hamburg-Mitte jüngst bei
einem Pressetermin vor Ort. Die neuen Bäume könnten nun gesund wachsen. Ein Defizit gibt’s vor Ort dennoch – dabei weist Mitte im Vergleich zu den anderen Bezirken als einziges eine positive Baum-Bilanz auf. Dort stehen jetzt 1246 Straßenbäume mehr.
Trostloser sieht’s dem Kataster nach in Wandsbek aus – seit 2015 hat der Bezirk 1269 Straßenbäume eingebüßt. In Altona sind es 1036, in Bergedorf genau 1000, in Eimsbüttel 678. Der Bezirk HamburgNord hat 428 Exemplare verloren, Harburg 330.
Noch nicht berücksichtigt sind die Zahlen für 2019, was der Senat mit der der Corona-Krise erklärt. In der Regel lägen Jahresabschlussbilanzierungen
Mitte bis Ende des 2. Quartals für das jeweils vergangene Jahr vor.
Wenn in Parks gefällt wird, dann üblicherweise, weil sich die Wurzeln und Kronen mehrerer Bäume gegenseitig in die Quere kommen. Nachgepflanzt wird laut Senat nur in Ausnahmefällen.
Bei Fällungen auf Privatgrundstücken ist der Eigentümer
verpflichtet nachzupflanzen. Ist das nicht möglich, wird eine Pauschale von 1000 Euro fällig, die sich an den durchschnittlichen Kosten für einen neuen Baum orientiert.
Die Kosten für eine Straßenbaumpflanzung liegen der Senatsantwort zufolge zwar deutlich über diesem Betrag: Die Regierung geht von durchschnittlich 1200 Euro bis 2500 Euro aus und sie können „im Extremfall bis zu 4000 Euro pro Baum betragen“. Allerdings ist in den Pflanzkosten auch die Fertigstellungs- und Entwicklungspflege für in der Regel drei Jahre enthalten.
Diese Ersatzzahlungen werden unter anderem in die Neupflanzungen investiert, Überschüsse werden für andere Grünarbeiten verwendet. Insgesamt kamen so seit 2015 rund 7,5 Millionen Euro zusammen. Die Zahlen beziehen sich allerdings nur auf fünf Bezirke – für Bergedorf und Eimsbüttel gibt es keine Aufstellungen über diese Einnahmen.
Wie viele Bäume von dem Geld tatsächlich neu gepflanzt wurden, konnte der Senat nicht sagen – es wären zu viele Akten zu wälzen gewesen. „Klar ist, dass jeder fehlende Baum auf Kosten des Klimaschutzes und der Luftreinhaltung geht“, so Braasch.
Die Umweltbehörde verweist allerdings darauf, dass Hamburg trotz Baumfällungen grüner wird. „Alle Hamburger Bäume wachsen, bilden Jahr für Jahr mehr Stammmasse und Astwerk – es findet also trotz einiger Fällungen und Pflegemaßnahmen in Summe ein Aufwuchs an Biomasse statt“, so Sprecher Jan Dube.
Um Hamburgs grüne Lunge steht’s demnach gar nicht so schlecht – und sie bekommt sogar einen kräftigen Flügel dazu. Für 55 Millionen Euro soll in den kommenden Jahren ein gigantischer Park mit zahlreichen Bäumen in der Innenstadt entstehen. Der Alster-Bille-Elbe-Grünzug soll sich von der Alster durch St. Georg, Hammerbrook und Rothenburgsort bis zu den Elbbrücken ziehen und neuen Raum für zahlreiche Bäume bieten.