Die HorrorFarm von Ruinerwold
Fall wird immer rätselhafter: Wie isoliert war die Familie wirklich?
RUINERWOLD - Sechs Menschen holte die niederländische Polizei aus einem kleinen Zimmer, das hinter dem Wohnzimmerschrank eines abgelegenen Bauernhauses lag. Ein 25-Jähriger war zuvor in einer Kneipe im nahe gelegenen Ort Ruinerwold aufgetaucht und erzählte, dass er, sein bettlägeriger Vater und fünf jüngere Geschwister seit neun Jahren von der Außenwelt isoliert in dem Raum leben (MOPO berichtete). Doch je mehr Informationen an die Öffentlichkeit dringen, umso verworrener wird der Fall.
Sicher ist bislang nur: Der Pächter des Bauernhofes, ein 58 Jahre alter Österreicher, wurde festgenommen, da er nicht an der Untersuchung des Falls mitarbeiten wollte. Er wird der Freiheitsberaubung verdächtigt, teilte die Staatsanwaltschaft mit, und soll am Donnerstag dem Haftrichter vorgeführt werden.
Immer unklarer scheint hingegen die Rolle des 25Jährigen zu sein, der durch sein Auftauchen in der Kneipe des 4000-Einwohner-Ortes die unglaubliche Geschichte erst ans Licht brachte. Laut niederländischen Medien war der junge Mann, der offenbar Jan heißt, schon anderthalb Wochen bevor er dem Barkeeper die Geschichte erzählte in der Kneipe. „Er sah verwirrt aus“, sagte einer der Gäste dem Sender „rtv Drenthe“. Er habe fünf Bier getrunken, die Discolampe bewundert und gesagt, dass er einen Job suche.
Seither tauchte er immer wieder im Ort Ruinerwold auf, bis er mit dreckigen Klamotten und zerzausten Haaren dem Barkeeper in kindlichen Worten seine Geschichte erzählte.
Allerdings scheint zumindest die Aussage über die neun Jahre in kompletter Isolation nicht so ganz zu stimmen, wie aus niederländischen Medienberichten hervorgeht. Demnach pflegt Jan seit einigen Monaten Profile auf Facebook, Instagram, Twitter und LinkedIn. Dort postete er Bilder von sich mit Bäumen oder einem Laptop, nächtliche Aufnahmen von Gebäuden in Ruinerwold oder Einladungen zu Klima-Demos.
Anhand der nachträglich eingestellten Lebensereignisse und einer Beschreibung auf LinkedIn lässt sich seine Biografie nachzeichnen: Demnach wurde er 1994 in Hasselt geboren, wo er bis 2005 lebte. Nach Zwischenstation in Zwartsluis zog er im Januar 2010 nach Meppel und acht Monate später nach Ruinerwold. Seine Mutter ist demnach bereits 2004 gestorben. Seither würde er sich mit Familienmitgliedern um „ihren Vater“kümmern. Der sei, so berichten die niederländischen Behörden, nach einem Schlaganfall vor einigen Jahren ans Bett gefesselt.
Laut Facebook soll Jan auch einen Job haben. Er soll für die Firma Creconat, die dem österreichischen Bauernhofpächter gehören soll, arbeiten. Seine Posts setzte der 25-Jährige mit einem Laptop und einem Handy ab. Auf Instagram stellte er zuletzt auch zwei Bilder des Barkeepers, dem er sich letztendlich offenbarte.
All das macht den Fall noch rätselhafter. Eine 25köpfige Sondergruppe der Polizei versucht derzeit, Licht ins Dunkel zu bringen. Neben den Internetaktivitäten gilt es sicher zu klären, wieso sich die Familie in dem versteckten Zimmer aufhielt. Laut „rtv Drenthe“sollen sie dort seit Jahren auf das „Ende der Zeit“gewartet haben. Ob das freiwillig oder durch Zwang geschah, scheint noch unklar.