Ein Tag voller Überraschungen
Ein Indie-Star schenkt Freibier aus und der Kraftklub-Sänger sorgt für Verkehrschaos
Erwarte das Unerwartete – so könnte auch das Motto des Reeperbahn-Festivals lauten, das von seinen musikalischen Entdeckungen lebt. Tag zwei der großen Kiez-Sause, die heute Nacht zu Ende geht, hatte jedenfalls eine Menge Überraschungen parat. Hier einige der Höhepunkte.
➤ Stärkster Andrang: Erst kurz vor Start des Festivals hatte Thees Uhlmann sein Kommen angekündigt. Einmal, um vor der Tür seines Labels „Grand Hotel Van Cleef “sein brandneues Album „Junkies und Scientologen“zu veraufzutreten. kaufen (und Freibier auszuschenken), und einmal, um im Bahnhof Pauli Klar dass der Laden aus allen Nähten platzte. Aber es war vorgesorgt worden: Das Konzert wurde live gestreamt und war so für alle zu sehen.
➤ Wildeste Award-Show: Der Festivalpreis „Helga!“scheint unkaputtbar – und so wurde er auch dieses Jahr wieder im Imperial-Theater verliehen. Mit einem Boris-JohnsonDouble auf der Bühne und glücklichen Machern des „Open Flair Festivals“, die den Publikumspreis „Bestes Festival“einheimsten.
➤ Technik-Fail des Abends: „Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit.“So haben das Tocotronic mal formuliert, was Kraftklub-Fans gestern an der Bushaltestelle Davidstraße erleben durften. Frontmann Felix Brummer rappt solo als „Kummer“(sein bürgerlicher Name). Ein Überraschungssollte Gig seine neue Single „Bei dir“promoten. Per Insta & Co. hatte sich rumgesprochen, dass die Show um 22.50 Uhr steigt. Auch Rapkollege Casper hatte sich neben ein paar hundert Fans eingefunden. Kummer machte dann aber vor allem die Technik. Als Brummer auf dem Dach eines Lkw mit Soundsystem loslegte, hörte man wenig. Technikversagen. Es wirkte abstrakt, wie er zu Musik abging, die man irgendwie erraten musste. Schade, weil die Idee (siehe oben) ja gut war.
➤ Größtes Charisma: Wenn Anastasia „Stars“Walker die Bühne betritt, gehört sie ihr. Und das Publikum gleich mit. Denn sich der Frontfrau der britischen Band Bang Bang Romeo zu entziehen, ist fast unmöglich. Zu stark die Stimme, zu wild die Mimik, zu ausladend die Gesten. Als die Band das letzte Mal in Hamburg war, spielte sie als Vorband von Pink! im Volksparkstadion. Im kleinen Headcrash auf dem Hamburger Berg kam man ihr nun deutlich näher. Ein Privileg, das es vielleicht nicht mehr häufig geben wird, denn die Band wird bereits als Next Big Thing gehandelt.
➤ One-Woman-Show des Abends: Die gab’s im Mojo. Dort stand die britische Künstlerin Georgia auf der Bühne, ganz allein mit ihrem Drumset. Die Londonerin macht wundervolle Popmusik, mal mit HipHop-, mal mit Elektro-Einflüssen – und trommelt, was das Zeug hält!. Maximal tanzbare Musik (unbedingt anhören!) und eine Wahnsinns-Show – diese Frau hat die Energie einer ganzen Band!
➤ Der größte Abriss: Rap auf Ukrainisch – da kann der Airplay-verwöhnte HipHop-Fan schon mal ins Staunen kommen. Wie bei Alyona Alyona, die den Nochtspeicher am Donnerstagabend komplett begeisterte. Die 28-jährige Psychologin ist dieses Jahr für den „Anchor-Award“nominiert, die sechs Jury-Mitglieder guckten sich das Spektakel entsprechend von einem abgetrennten Bereich an der Bar an. Die Rap-Rakete zündete auch bei ihnen: Kate Nash und Peaches zog’s nach ein paar Stücken in die erste Reihe. Kopfnicken, abgehen, Hände in die Luft. Großartig.