Hamburger Morgenpost

Nach 149 Jahren: Stadt will Pächter vertreiben

Dorfbewohn­er befürchten, dass der Senat die Idylle hinterm Deich in ein Gewerbegeb­iet verwandelt

- S.lamprecht@mopo.de

STEPHANIE LAMPRECHT Die Stadt hat einen fast 150 Jahre alten Erbpachtve­rtrag für ein Grundstück am Moorf eeter Deich gekündigt – aus heiterem Himmel und ohne Begründung, sagt Pächterin Isabel Schiff er (47). Gestern trafen sich Nachbarn und Freunde zum Protestzug auf dem Deich. Die Befürchtun­g im Dorf: Die Stadt will in der idyllische­n „Moorf eeter Wanne“ein neues Gewerbegeb­iet ausweisen.

„Das ist nicht hanseatisc­h!“, steht auf einem Schild. „Keine Enteignung!“und „Haus 97 muss bleiben“. Rund 100 Menschen ziehen den Moorf eeter Deich entlang, begleitet von zwei Saxofonist­en – und einem Skelett in einer Schubkarre.

In einem der beiden Fachwerkhä­user, die auf dem Pachtgrund­stück stehen, ist d b d seien über die Pläne nicht informiert worden.

Sie ist nicht allein betroffen: Auch 26 Nachbarn, die auf eigenen Grundstück­en leben, haben Post bekommen – mit Kaufangebo­ten. Einige Flächen in der „Moorf eeter Wanne“gehören bereits dem „Landesbetr­ieb Immobilien­management und Grundvermö­gen“, einer Abteilung der Finanzbehö­rde.

Die Idylle hinterm Deich ist interessan­t für die Wirtschaft: Es gibt einen Autobahnan­schluss und das Gewerbegeb­iet Billbrook gleich nebenan.

Isabel Schiff ers Pachtgrund­stück hat die Stadt nach der Sturmf ut 1962 von dem damaligen Eigentümer gekauft, samt dem Pachtvertr­ag aus dem Jahr 1869, der eine „immerwähre­nde Grundmieth­e“vorsieht. Aus den einst jährlich fälligen „50 Mark sechs Schillinge Hamburger Courantgel­d“ist eine überaus günstige Jahrespach­t im zweistelli­gen Eurobereic­h geworden.

In der Senatsantw­ort auf eine Kleine Anfrage der Bergedorfe­r Linken heißt es, der historisch­e Pachtvertr­ag sei gekündigt worden, weil Verhandlun­gen über eine Pachterhöh­ung „erfolglos blieben“. Isabel Schiff er weist das empört zurück: „Das ist eine Lüge. Es hat nie Verhandlun­gen über die Pacht gegeben.“

Auf die Frage, was dort geplant sei, bleibt der Senat nebulös: „Die gesamtstäd­tischen Überlegung­en sind noch nicht abgeschlos­sen.“

„Das ist pure Behördenwi­llkür“, so einer der Demo-Redner. Die Teilnehmer applaudier­en laut. Dann heben die Saxofonist­en an: „We Shall Overcome.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany