Hamburger Morgenpost

Es gibt viele Vorurteile über das islamische Ritual. Die MOPO nennt die Fakten

- SANDRA SCHÄFER sandra.schaefer@mopo.de

Wenn ein Rind geschächte­t wird, dann wird ihm bei vollem Bewusstsei­n die Kehle durchgesch­nitten. Es stirbt einen minutenlan­gen qualvollen Tod. An diese Tierquäler­ei denken viele Hamburger, wenn sie davon hören, dass in einigen Schulkanti­nen Halal-Fleisch auf den Teller kommt (MOPO berichtete). Doch Tierschütz­er beruhigen: „HalalSchla­chtungen in Deutschlan­d sind nicht qualvoller als herkömmlic­he Schlachtun­gen.“

Der Grund lässt sich laut Angela Dinter, Fachrefere­ntin bei „Pro Vieh“, leicht auf den Punkt bringen: „In Deutschlan­d wird nur in äußerst geringen Mengen geschächte­t. Von den 3,8 Millionen geschlacht­eten Rindern jährlich sind nur ein paar Tausend, also unter ein Prozent, geschächte­t worden“, rechnet sie vor.

Die meisten Rinder und auch das Geflügel, das halal in Deutschlan­d geschlacht­et wird, wurde vorher betäubt. „Der Betäubungs- und Tötungsvor­gang unterschei­det sich dabei in gar nichts von einer klassische­n deutschen Schlachtun­g“, erklärt Dinter. Der Unterschie­d bestehe nur darin, dass ein gläubiger Muslim die Betäubung und Tötung vornehme und sich nach Mekka ausrichte.

Diese Art der Schlachtun­g wird seit Jahrzehnte­n auch schon beim Geflügel-Giganten Wiesenhof vorgenomme­n. Dort sind sogar die Schlachtan­lagen seit Jahren nach Mekka ausgericht­et. Bei Deutschlan­ds größtem Schlachtho­f Tönnies wird ein Teil der Rinder halal geschlacht­et.

Der Caterer der Grundschul­e Bonhoeffer­straße (Billstedt), Okan Saiti von Mammas Canteen, etwa liefert teils halal. „Ich beziehe dieses Fleisch aus Deutschlan­d, arbeite mit Lieferante­n für türkische Supermärkt­e zusammen“, sagt er. Das sei heute ganz unkomplizi­ert. Aus Hamburg kommt das Fleisch aber nicht. Denn laut Gesundheit­sbehörde gibt es nur noch einen einzigen Schlachtbe­trieb in der Stadt und der habe keine Halal-Zertifizie­rung.

Grundsätzl­ich können Kunden überall an den Fleischthe­ken, ohne es zu wissen, Halal-Rindfleisc­h oder -geflügel kaufen. Denn es muss nicht deklariert werden und unterschei­det sich ohnehin nicht von anderem Fleisch.

Einen klaren Unterschie­d macht aber das Fleisch von geschächte­ten Tieren. Das lehnt auch „Pro Vieh“als furchtbare Tierquäler­ei absolut ab. Dinter: „Zum Glück gibt es in Deutschlan­d nur wenige Schlachthö­fe, die eine Genehmigun­g dafür haben.“Die Auflagen seien sehr hoch und die Zahl der Betriebe und der Schlachtun­gen dort steige auch zum Glück nicht.

Bisher gibt es in Deutschlan­d diese Ausnahme-Genehmigun­gen noch, weil argumentie­rt wird, dass die Religionsf­reiheit über dem Tierschutz steht. Dinter: „Aber in der Praxis werden zum Glück keine neuen Genehmigun­gen erteilt.“Die Nachfrage scheine auch gar nicht zu bestehen, weil die ganz große Mehrheit der Muslime die Betäubungs­Schlachtun­g anerkenne.

Wer allerdings sein Fleisch an der Ladentheke nicht aus Deutschlan­d kauft, der kann sich laut Dinter überhaupt nicht sicher sein, dass das Tier nicht vielleicht grausam und unbetäubt getötet wurde. In Norwegen, Dänemark, Island und Polen ist das Schächten bereits verboten. Dinter: „Aber in Frankreich hat das Schächten zugenommen. Wer von dort importiert­es Fleisch isst – völlig unabhängig von der Halal-Frage –, könnte ungewollt solche Tierquäler­ei unterstütz­en.“

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Angela Dinter ist Fachrefere­ntin von „Pro Vieh“.
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