Er brach die Macht der Hamburger Pfaffen
Orgien und Ablasshandel: Vor 500 Jahren führten die Geistlichen ein Leben in Saus und Braus. Doch dann kam Bugenhagen ...
Morgen haben Hamburgs Arbeitnehmer frei. Nein, nicht wegen „Halloween“. Der Auftakt zur Reformation jährt sich zum 500. Mal. Luther nagelte damals seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg. In Hamburg war der Katholiken-Schreck nie. Zur Verbreitung seiner protestantischen Lehre schickte er stattdessen seinen besten Mann: Johannes Bugenhagen.
Hamburg um 1500: In der Stadt, die damals etwa 15 000 Einwohner hat, rumort es. Auf der einen Seite stehen Geistliche, die sich die Taschen vollstopfen und ein ausschweifendes Leben führen. Regelrechte Sex-Orgien gibt es. Konkubinen der Stadt tragen Kinder von Priestern aus.
Auf der anderen Seite steht der ärmste Teil der Bevölkerung. Sie leiden Hunger, 1521 wird die Stadt über Monate von der Pest heimgesucht. Reden vom bevorstehenden Ende der Welt machen die Runde. Noch dazu soll das gottesfürchtige Volk sich immer wieder von seinen Sünden reinwaschen. Hierzu dient der „Ablasshandel“, sie zahlen den Geistlichen gutes Geld für die Vergebung ihrer Sünden.
Dazwischen stehen die reichen Kaufleute. Einige sind angewidert von der Gottlosigkeit der „Pfaffen“, wie sie hinter vorgehaltener Hand genannt werden. Andererseits machen sie selbst gerne Geschäfte. Egal, ob die Armen darunter leiden. Als im Hungerwinter von 1483 voll beladene Schiffe mit Korn den Hafen verließen, weil anderswo gute Preise erzielt werden konnten, hatte es zuletzt gewaltsame Unruhen gegeben.
Und dann hört das Volk von Luthers Kirchenkritik. Möglich macht’s der Buchdruck. Und die Tatsache, dass seine Schriften auch auf Niederdeutsch verbreitet werden können. Der Buchdruck, die Entdeckung Amerikas, die Reformation – ganz Europa ist im Umbruch!
Die reichen Kaufleute schlagen sich auf die Seite des Volkes. In zwei großen Debatten im Rathaus wird beschlossen, dass die Reformation auch in der Hansestadt eingeführt werden soll. Der Mann, der hierfür eingeladen wird, bleibt zwar nur ein gutes halbes Jahr in Hamburg, hinterlässt aber dauerhaft seine Spuren. Johannes Bugenhagen ist Luthers Seelsorger, hat ihn sogar verheiratet. Auch er selbst hat das Zölibat schon gebrochen, zieht mit Frau und Kindern in die „Doktorei“am Kattrepel (Altstadt). Seine Aufgabe: das Aushandeln einer neuen Kirchenordnung für die Stadt.
Außerdem reformiert er das Armenwesen, vertreibt die Nonnen von St. Johannis und den anderen Klöstern, gründet an selber Stelle das „Johanneum“. Seine Reformen führen zu einem genossenschaftlichen Denken, das die Stadt über Jahrhunderte prägen wird. Dass all das so friedlich vonstattenging, begründete Luther-Kompagnon Melanchthon mit der „Besonnenheit der Hamburger Bürger“.
Bis heute tragen Schulen und Kirchen Bugenhagens Namen. Und die Bugenhagenstraße liegt auch nur wenige Meter vom Kattrepel entfernt. Vielleicht hat Luthers bester Mann vor knapp 500 Jahren ja öfter hier eingekauft.
Zum 500. Jahrestag der Reformation haben Hamburgs Arbeitnehmer frei.