Wie lebt man, wenn man blind und taub ist?
Billstedt Joachim Jäck (54) meistert den Alltag ohne Bild und Ton
Von SINA KEDENBURG
Seine Welt ist still und dunkel. Joachim Jäck (54) ist taubblind, er kann weder hören noch sehen, was um ihn herum geschieht. In der MOPO schildert er, wie er ein Leben meistert, in dem viele keinen Sinn sehen würden.
Es klingelt. Joachim Jäck regt sich nicht. Erst als kleine, starke Leuchten in Hausflur, Küche und Wohnzimmer zu flackern beginnen, steht er auf. Jäck kann helle Lichter und Schatten erkennen. Die Lampen sind mit der Türklingel verbunden, zeigen ihm an, dass Gäste da sind.
Der heutige Besuch: die MOPO-Reporter. Handschlag zur Begrüßung. Aber nur flüchtig. Jäck lässt die Hände der Gäste gleich wieder los – denn er braucht sie, um zu kommunizieren. Mittels Gebärdensprache. „Normalerweise unterhalten sich Taubblinde mit Hilfe von sogenannten Lormen“, dolmetscht seine Frau Carmen (48). „Dabei werden ihnen die Worte sozusagen in die Hand getippt. Die Finger und bestimmte Handpartien stehen dabei für einzelne Buchstaben. Aber das brauche ich nicht.“Er lächelt. Jäck ist nicht komplett blind. Seine Krankheit, das sogenannte Usher-Syndrom schreitet langsam voran. Seine Augen verschlechterten sich langsam. Typisch für die Krankheit. Den ersten grauen Star hatte er mit 19. Danach ging es bergab. Heute kann der 54-Jährige nur noch fünf Grad seines Sichtfeldes (normal wären 180 Grad) nutzen. Bedeutet: Zu den Seiten, und nach oben und unten sieht er nur eingeschränkt. Wie mit Scheuklappen – aber auch nur, wenn es hell genug ist. In der Dämmerung ist Jäcks Welt schwarz, vor dem Gesetz gilt er deshalb als taubblind. „Ich habe Angst vor dem Tag, an dem alles verschwindet“, sagt er. Seine Frau schluckt schwer beim Dolmetschen – ein schrecklicher Gedanke auch für sie.
Die 48-Jährige ist selbst schwerhörig und fast immer an Joachim Jäcks Seite. Sie geht mit ihm einkaufen, hilft ihm bei der Gartenarbeit und bringt ihn zur Bahn, damit er vom gemeinsamen Haus in Billstedt zu seinem Arbeitsplatz in die Hamburger Justizbehörde fahren kann. Dort arbeitet er seit 14 Jahren in der Registratur. „Ich sitze viel vor dem PC. Mache die Schrift ganz groß, dann kann ich sie einigermaßen lesen. Wenn meine Augen sich verschlechtern, geht aber auch das nicht mehr.“Dann wird er noch mehr auf Hilfe angewiesen sein als ohnehin schon.
Dazu kommen finanzielle Sorgen: Carmen Jäck arbeitet nicht – nur so kann sie sich um ihren Mann kümmern. Zu seinem Gehalt gibt es ein spärliches Blindengeld, das reicht gerade so für die beiden. „Es ist trotzdem nicht das Geld, das mir fehlt. Ich wünschte ich könnte irgendwie wieder richtig sehen. Die Welt ist so bunt.“
„Ich habe Angst vor dem Tag, an dem alles verschwindet.“Joachim Jäck (54)