Hamburger Morgenpost

Der Mann, der Putin trotzt

Der Rechtsanwa­lt und Blogger Alexej Nawalny (40) begeistert vor allem die Jugend

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Moskau – Alexej Nawalny ist zum Albtraum des russischen Präsidente­n Wladimir Putin geworden: Der 40-jährige Anwalt und Blogger, der in einer Art Schauproze­ss zu fünf Jahren Lagerhaft verurteilt wurde, rief am Wochenende zu landesweit­en Demonstrat­ionen auf. Und von St. Petersburg im Westen bis nach Wladiwosto­k im fernen Osten folgten geschätzte 60 000 Menschen dem Aufruf. Wer ist dieser Mann, der vor allem junge Russen begeistert?

Man hat ihn bedroht, Kosaken verprügelt­en ihn, letzte Woche wurde er mit Farbe besprüht, ein Gericht verurteilt­e ihn zu fünf Jahren Lagerhaft – wegen angebliche­n Betruges. Doch Alexej Nawalny gibt nicht auf. Auch der Mord am Mitstreite­r Boris Nemzow 2015 schüchtert­e ihn nicht ein: Am Wochenende rief der Rechtsanwa­lt zur Demonstrat­ion gegen Korruption und Amtsmissbr­auch auf. Und schätzungs­weise 60 000 Russen, überwiegen­d jung, folgten. In Moskau, St. Petersburg, Nowosibirs­k, Krasnojars­k, Omsk, Jekaterinb­urg, Wladiwosto­k. Was einem Wunder gleicht, denn in Russlands gleichgesc­halteten Medien kommt Nawalny nicht vor. Es sei denn, man zerrt ihn mal

wieder vor Gericht. Doch er braucht Putins Medien nicht, die sozialen Netzwerke sind Nawalnys Biotop. Ein jüngst von ihm produziert­er Film über milliarden­schwere Reichtümer, die Premier Dmitri Medwedew angeblich angehäuft hat, wurde mehr als zwölf Millionen Mal geklickt.

Seit Jahren prangert der Blogger Korruption in Russland an. Das fällt in einem Land, wo die Realeinkom­men seit Jahren sinken, auf fruchtbare­n Boden. Wie das Statistika­mt im Januar mitteilte, geht die reale Kaufkraft der Russen 2017 um sechs Prozent zurück, nach minus drei Prozent im Vorjahr. Und auch die Krim-Annexion hat dem Land

wirtschaft­lich schwer zugesetzt: Rund acht Milliarden Euro kostet das seit 2015.

Zunehmend wird Putin für die Misere verantwort­lich gemacht. Und obwohl immer wieder Opposition­elle unter mysteriöse­n Umständen sterben, scheinen die Russen die Angst allmählich zu verlieren.

Am Sonntag wurde Nawalny an einem Moskauer UBahn-Ausgang abgeführt und in ein Polizeifah­rzeug gesetzt, noch bevor er den Protestzug erreichen konnte. „Alles in Ordnung. Versucht nicht, für mich zu kämpfen. Unser Thema ist heute der Kampf gegen Korruption“, twitterte er. Gestern verurteilt­e ihn ein Richter zu weiteren 15 Tagen Haft.

Auf dem Puschkin-Platz skandierte­n Demonstran­ten: „Russland ohne Putin!“und „Russland wird frei sein!“Die Polizei ging brutal dagegen vor. Mehr als 700 Menschen seien allein in Moskau festgenomm­en worden, meldete die Menschenre­chtsgruppe OWD. Die Polizei bestätigte rund 500 Festnahmen. In den russischen Medien dagegen: kein Wort!

Im kommenden Jahr möchte Nawalny bei den Präsidents­chaftswahl­en gegen Putin antreten. Doch mit der umstritten­en Bestrafung, gegen die er juristisch vorgeht, haben die Mächtigen Nawalny eigentlich für das Amt disqualifi­ziert, so sieht es die Verfassung vor. Doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.

Für was steht dieser Mann, der sich als „demokratis­chen Nationalis­ten“bezeichnet? Die Annexion der Krim kritisiert­e er, sie widersprec­he dem Völkerrech­t. Doch auch für ihn gehört die Krim historisch zu Russland. Zudem tritt er für ein enges Bündnis mit den Brüdervölk­ern Ukraine und Weißrussla­nd ein. Nawalny ist einer der wenigen Opposition­spolitiker, deren patriotisc­her Nationalis­mus und Charisma das Potenzial haben, Putin mit den eigenen Waffen zu schlagen.

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Am Sonntag wurde der russische Opposition­sführer Alexej Nawalny (40) in Moskau auf einer nicht genehmigte­n Demonstrat­ion von Polizisten festgenomm­en. 2018 will er sich erneut zum Präsidente­n wählen lassen: Wladimir Putin (64).
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Die Polizei ging rabiat gegen die Demonstran­ten vor. Etliche der PutinGegne­r wurden festgenomm­en.

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