Hamburger Morgenpost

Ein Goldhaus für die Veddel

Blattgold-Projekt für 85 000 Euro:

- Von OLAF WUNDER

Boran Burchhardt ist einer, dem es egal ist, wenn andere ihn für durchgekna­llt halten. Mit seinen extravagan­ten und bisweilen exzentrisc­hen Projekten hat der Hamburger Künstler immer wieder Aufmerksam­keit erregt und für Diskussion­sstoff gesorgt. So auch diesmal: Denn jetzt will der 42-Jährige die Veddel vergolden!

Kein Witz: Ursprüngli­ch war es tatsächlic­h seine Absicht, sämtliche Gebäude der Elbinsel mit 23,5-KaratBlatt­gold zu belegen. „Das würde sechs Millionen Euro kosten, was ich eigentlich gar nicht so teuer finde“, sagt der Künstler zur MOPO.

Doch weil es Leute gibt, die das anders sehen, muss er sich nun begnügen: Wenn schon nicht ganze Straßenzüg­e, so wird nun ab März immerhin ein komplettes Haus vom Keller bis zum Dachfirst vergoldet, und zwar die Veddeler Brückenstr­aße 152. Insgesamt 300 Quadratmet­er Fassadenfl­äche.

Was das soll? Nun, die meisten Hamburger denken sofort an ein AusländerG­hetto und an soziale Probleme, wenn von der Veddel die Rede ist. Das will Burchhardt ändern. Sein Gedanke: „Wird das Viertel erst einmal im Zusammenha­ng mit ,Gold‘ genannt, dann bekommt die Öffentlich­keit einen ganz anderen Blick auf den Stadtteil.“

Doch nicht alle sind begeistert von der Idee. Einer der schärfsten Kritiker ist Klaus Lübke (53), SPD-Abgeordnet­er in der Bezirksver­sammlung Mitte und selbst Bewohner der Veddel. „Hier wird der Stadtteil als Leinwand missbrauch­t. Niemand hat die Bewohner befragt oder sie mit eingebunde­n. Das ist ein von oben übergestül­ptes Projekt.“

Was Lübke so sauer macht: „Dass wir vom Kulturauss­chuss der Bezirksver­sammlung schon lange vergeblich darum kämpfen, ein bisschen mehr Geld für die Kulturarbe­it bewilligt zu bekommen. Uns steht für das ganze Jahr ein Etat von 75 000 Euro zur Verfügung. Und hier werden anstandslo­s 85 000 Euro von der Kulturbehö­rde bewilligt – um ein Haus zu vergolden.“

Ähnlich sieht es Michael Osterburg, Fraktionsc­hef der Grünen: „In die Kulturarbe­it Geld zu stecken ist sicherlich nicht verkehrt. Aber ob dieses Projekt das ist, was die Menschen in dem Quartier wirklich abholt, wage ich zu bezweifeln.“

Ganz anderer Meinung ist man bei SAGA-GWG, dem Wohnungsun­ternehmen, dem das künftig goldene Haus gehört und auch sonst

„Hier wird der Stadtteil als Leinwand missbrauch­t.“Klaus Lübke (SPD)

der meiste Wohnraum auf der Insel. „Die Aktion ist absolut cool“, sagt Sprecher Michael Ahrens zur MOPO. „Wir finden das Projekt gut, weil es die Veddel in den Blickpunkt rückt und ins Gespräch bringt.“

Und was sagt der Künstler selbst? Den lässt die Kritik der Politiker kalt. Er betont, dass er das Haus keinesfall­s an den Bewohnern und den Nachbarn vorbei vergolden wird, sondern in enger Abstimmung mit ihnen. „Die können alle mitmachen und werden es bestimmt auch.“

Dass Burchhardt für sein Gold-Projekt die Veddel ausgesucht hat, ist übrigens kein Zufall. Der Künstler, der dadurch bekannt wurde, dass er die Minarette der Centrum-Moschee in St. Georg mit einem grün-weißen Fußball-Muster verzierte, ist derzeit sogenannte­r „Quartiersk­ünstler“auf der Elbinsel – der fünfte seit 2006. Finanziert wird diese Stelle von der SAGA-GWG-Stiftung Nachbarsch­aft. Sinn des „Quartiersk­ünstlers“ist es, Kunst und Kultur zu fördern und den Stadtteil zu beleben.

Letzteres hat Burchhardt auf jeden Fall schon mal geschafft.

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 ??  ?? Sorgt mit seinen Aktionen immer wieder für Aufsehen: Künstler Boran Burchhardt (42).
Sorgt mit seinen Aktionen immer wieder für Aufsehen: Künstler Boran Burchhardt (42).
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