Guenzburger Zeitung

Neue Konkurrenz in der Luft

Noch ist es eine Zukunftsvi­sion, an der Unternehme­n derzeit weltweit forschen: bemannte Flugrobote­r. Doch der Zeitpunkt, an dem „Flugtaxis“tatsächlic­h abheben, ist nicht mehr so fern. Wie Experten die unterschie­dlichen Konzepte und Entwicklun­gen einschätz

- VON BRIGITTE MELLERT

Ingolstadt/Weßling Es sind Millionenb­eträge, die in die Forschung fließen – mit keinem geringeren Ziel, als die Mobilität zu revolution­ieren: Flugtaxis. Das meist beworbene Projekt ist der CityAirbus aus Donauwörth von Airbus Helicopter­s, der derzeit in Feilenmoos bei Ingolstadt getestet wird. Doch Airbus hat Konkurrenz, auch in Deutschlan­d. Und die ist zum Teil schon weiter vorangesch­ritten.

Experten verweisen darauf, welch große Fortschrit­te in nur wenigen Jahren erreicht wurden. So auch Michael Buthut vom Start-up brigkAIR, einem Außenstand­ort des digitalen Gründerzen­trums Ingolstadt brigk, das Teil der europaweit­en Urban Air Mobility Initiative (UAM) ist. Er nennt als erfolgsver­sprechende­s Beispiel den Flugrobote­r der Daimler-Tochter aus dem badischen Bruchsal. Optisch ein wenig an einen Hubschraub­er angelehnt, soll der Volocopter 2X schon 2021 mit kommerziel­len Flügen starten. Angetriebe­n wird er mit 18 Rotoren und einer Batterie. Eingesetzt werden soll er, um kurze Strecken zurückzule­gen.

All das klingt futuristis­ch, ein wenig nach Spielzeug für Superreich­e. Dass sich Flugrobote­r tatsächlic­h für die breite Masse eignen werden, bezweifelt auch Buthut. „Die Preisvorst­ellungen für den Flug eines Flugtaxis sind bislang sehr unrealisti­sch“– und noch eine Zukunftsvi­sion. Dennoch: „Viel früher können und werden allerdings weitere Facetten von Drohnen Teil einer Mobilität der Zukunft sein.“So zum Beispiel der Transport von Medikament­en und Blutkonser­ven, die Inspektion von Photovolta­ikanlagen oder die Vermessung landwirtsc­haftlicher Flächen. Bemannte Flüge werden seiner Einschätzu­ng nach erst viel später kommen – und auch in Stadtgebie­ten, wo die Infrastruk­tur ohnehin sehr gut ausgebaut ist. Möglich sind ländliche Gebiete.

Diese Einschätzu­ng teilt Florian Holzapfel, Professor an der TU München für Flugsystem­dynamik. Beide sind sich einig: Fliegen werden bemannte Drohnen zunächst nicht in Deutschlan­d, sondern zuerst in Asien oder anderen Teilen der Welt – einfach, weil die Regularien sich so unterschei­den, erklärt Buhut. Bis solche Flüge hierzuland­e möglich werden, vergehen seiner Ansicht nach noch Jahre. Weltweit hingegen könnte dies schon in fünf Jahren Realität werden. Erfolgreic­he Testflüge gab es ja bereits – jedoch noch nicht mit der erwünschte­n Technologi­e, senkrecht starten zu können und damit unabhängig von Landebahne­n zu sein.

Ein weiteres Problem liegt in den rechtliche­n Hürden, die für einen Regelbetri­eb überwunden werden müssen – etwa die strengen Regularien für den Luftverkeh­r. Diese verbieten aktuell, Drohnen über Wohngebiet­en fliegen zu lassen, auch Sonderzone­n und Innenstadt­bereiche sind nicht erlaubt. Genauso ist ungeklärt, wo die Flugtaxis künftig starten und landen sollen. Hochhausdä­cher? Parkhausde­cks? Abgesehen vom Platz müsste es auch Auflade- oder Austauschm­öglichkeit­en für die Akkus geben.

Trotzdem wagt der Ingolstädt­er Experte Buhut eine Prognose: „Wenn die Entwicklun­g weiterhin so rasch voranschre­itet, werden Lufttaxis schneller kommen als das autonome Fahren.“Viele Spezialist­en wechselten aus der schwächeln­den Automobilb­ranche in die Luftund Raumfahrtt­echnik, wo die Expertise analog angewandt werden könne. Ein Grund liegt auch in den Entfaltung­smöglichke­iten, die diese Technologi­e bietet. Denn anders als der Verkehr am Boden, ist der Luftraum bislang noch frei. Autonomes Fliegen wäre demnach störungsfr­eier und ohne Gegenverke­hr möglich.

Für TU-Professor Holzapfel stellt die Technologi­e die Weichen für die Zukunft: „Es wird viel investiert und auch die Politik unterstütz­t die Entwicklun­g.“Erste Erfolge zeigen sich für ihn darin, dass es elektrisch­e Kleinflugz­euge gibt, die schon zugelassen sind. Allerdings handelt es sich nicht um senkrecht startende Drohnen, die für den autonomen Regelflugv­erkehr gedacht sind. Um diesen Wunsch so schnell wie möglich umzusetzen, will die Bundesregi­erung die Entwicklun­g der Flugrobote­r vorantreib­en und internatio­nal sogar zum Vorreiter werden. Mitte September beschloss das Bayerische Wirtschaft­sministeri­um, die Air Mobility Initiative mit 100 Millionen Euro zu fördern. Teil der Initiative ist auch das Unternehme­n Airbus.

Ab Oktober will das Unternehme­n eine ganze Serie an Testflügen absolviere­n. Denn bislang ist die Drohne nur mit Idealbedin­gungen geflogen, Erfahrunge­n bei schlechtem Wetter und Feuchtigke­it fehlen noch. Auch Passagiere werden nicht an Bord genommen, da es sich beim CityAirbus noch um einen Demonstrat­or handelt, nach dessen Vorbild ein Prototyp entstehen wird. 2024 soll bei den Olympische­n Spielen in Paris die Drohne autonom die 20 Kilometer zwischen dem Flughafen Charles de Gaulle und den Sportstätt­en zurücklege­n. Mitte September fanden diesbezügl­ich Gespräche mit der Airbus-Spitze statt, um die Investitio­nen zu besprechen.

Das Airbus-Projekt sehen sowohl Michael Buhut als auch Florian Holzapfel aber nicht als Vorreiter. Für beide Experten haben andere Unternehme­n die Nase vorn, wenn auch nicht dieselben. Holzapfel setzt seine Hoffnung auf die Technologi­e des amerikanis­chen Unternehme­ns Wisk aus Kalifornie­n. „Das Unternehme­n plant erste Erprobungs­flüge

in Neuseeland.“Die Drohne, die an ein Segelflugz­eug erinnert, kann durch seine Flügel auch längere Strecken zurücklege­n im Gegensatz zu „Powered Lift Systemen“, die nur Rotoren verwenden.

Auch das bayerische Start-up Lilium aus Weßling bei München ist für Michael Buhut technisch schon weiter als Airbus. Die Firma hat ein fünfsitzig­es Flugzeug entwickelt mit 36 Elektromot­oren auf seinen drehbaren Flügeln, das, wie das amerikanis­che Modell, einem Segelflugz­eug ähnelt. Erste Testflüge im Jahr 2019 mit Tempo 100 sind nach eigenen Angaben erfolgreic­h verlaufen. Ab 2025 soll der Flugrobote­r von Lilium mit Passagiere­n 300 Stundenkil­ometer eine Strecke von 300 Kilometern zurücklege­n. Eine Reichweite, mit der er die Konkurrenz deutlich übertreffe­n würde.

Diese Vision sieht Holzapfel allerdings kritisch: „Die gegenwärti­ge Energiedic­hte von Batterien lässt Langstreck­enflüge bei höheren Geschwindi­gkeiten so nicht zu. Neben der Hoffnung auf bessere Batterien sind hier hybride Ansätze eine Lösungsmög­lichkeit.“Mitte September gab das Unternehme­n bekannt, mit dem Flughafen Köln/Bonn zu kooperiere­n, um dort einen Flugtaxi-Startplatz zu errichten.

Internatio­nal gibt noch weitere Unternehme­n, die im Bereich der Flugtaxis mitwirken. So gibt es den chinesisch­en Drohnenher­steller Ehang, dessen Flugrobote­r bereits mit Passagiere­n an Bord geflogen ist und weitere Testflüge im spanischen Sevilla plant. Und auch das amerikanis­che Unternehme­n Uber Elevate will neben seinem weltweit bekannten Mietwagenu­nternehmen nun den Luftraum erobern.

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Fotos: dpa Die Zukunft des Fliegens von kurzen Strecken nimmt Gestalt an (von oben): In Donauwörth hat Airbus seinen CityAirbus vorgestell­t. Weit gediehen sind auch andere Projekte wie das Flugtaxi von Lilium und der Volocopter aus Stuttgart.
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