Eine Frau will an die Spitze des BR
Katja Wildermuth muss sich gegen zwei Männer durchsetzen, um Intendantin zu werden
München Wenn der BR-Rundfunkrat am 22. Oktober eine Intendantin oder einen Intendanten für die öffentlich-rechtliche Landesrundfunkanstalt wählt, dann ist das eine Richtungsentscheidung. Vereinfacht könnte man sagen: Wird von einer Nachfolgerin, einem Nachfolger Ulrich Wilhelms das Signal „Weiter so“ausgehen oder das Signal „frischer Wind“?
Die 50 Mitglieder des Aufsichtsgremiums BR-Rundfunkrat, die die wichtigen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen des Freistaats vertreten, entscheiden in geheimer Wahl und mit einfacher Mehrheit. Dabei sind die Rollen der drei Kandidaten für den Chefposten, deren Namen am vergangenen Donnerstag offiziell bekannt gegeben wurden, nach Recherchen unserer Redaktion bereits klar verteilt. Der gebürtige Augsburger Christian Vogg, Chief Data
Officer und Bereichsleiter Dokumentation und Archive beim öffentlich-rechtlichen Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), gilt als Außenseiter. Bleiben Katja Wildermuth, Programmdirektorin des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), und Albrecht Frenzel, Verwaltungsdirektor des BR. Wildermuth wäre die erste Intendantin in der Geschichte des Senders. Und nicht nur für das BR-Frauennetzwerk „Female for Future“eine „zeitgemäße Entscheidung“, „die unsere Gesellschaft
nachhaltig verändert“. In der Tat schien es eine Art Konsens gegeben zu haben, dass es Zeit für eine Frau an der Spitze des BR sei. Der Rundfunkratsvorsitzende hatte sich ebenfalls dahingehend geäußert.
Doch bereits wenige Tage nach Bekanntgabe von Wildermuths Kandidatur erscheint es fraglich, ob ihr tatsächlich die Favoritenrolle zukommt. Zu hören ist, dass wahrscheinlich erst am Wahltag Gewissheit herrschen werde.
Das liegt unter anderem an der Besetzung des Rundfunkrats – und der schwierigen Vorhersagbarkeit, welche Allianzen sich im Vorfeld der Wahl bilden könnten. Neben etwaigen parteipolitischen Interessen seiner Mitglieder mit Parteibuch ist auch die „Kaktus-Gruppe“– eine informelle Gruppierung von bis zu 23 parteiungebundenen Mitgliedern – in ihrem Wahlverhalten bei Weitem nicht so ausrechenbar, wie mancher vermuten könnte. Sie ist kein Block. In der Kaktus-Gruppe gibt es Sympathien für Wildermuth, einzig die Grünen im Rundfunkrat haben sich bisher aber öffentlich für sie ausgesprochen. Die Wahl Wildermuths wäre aus ihrer Sicht nicht nur ein Erfolg in Sachen Gleichstellung, die 55-Jährige vereine auch Managementfähigkeiten mit journalistischem Wissen. Beim MDR habe sie zudem die Verschmelzung der Bereiche Fernsehen, Hörfunk und Online mitgestaltet – ein Prozess, in dem sich der BR noch befindet.
Allerdings ist dessen Verwaltungsdirektor Frenzel ein überaus starker Konkurrent für sie. Er ist innerhalb des BR als Finanzfachmann anerkannt, selbst wenn Kritiker in ihm einen „Sparkommissar“sehen. Gerade dies könnte aber den Ausschlag für seine Wahl geben. Der Spardruck auf den BR ist enorm – und er wird weitaus größer werden, sollte es zu Jahresbeginn 2021 nicht zu einer Erhöhung des Rundfunkbeitrags kommen – und das ist ein durchaus realistisches Szenario.