„Meine acht Wochen alte Enkelin fehlt mir“
Das Wort zu Corona (2) Der frühere Förderschulleiter Konrad Bestle über Veränderung im Leben
Bekannte und weniger bekannte Menschen aus dem Landkreis Günzburg geben an dieser Stelle in der Mittwochsund Samstagsausgabe ihr ganz persönliches Statement in Corona-Zeiten ab. Heute beschreibt Konrad Bestle aus Oberrohr seine Eindrücke in dieser besonderen Zeit.
Oberrohr Eigentlich ist der CoronaModus über mich bereits vor neun Monaten hereingebrochen. Denn bereits seit August vergangenen Jahres haben sich meine sozialen Beziehungen dramatisch verändert und reduziert. Mit Beginn der Sommerferien 2019 bin ich nach 39 Berufsjahren als Sonderschullehrer und Schulleiter an einer großen Förderschule in Pension gegangen. Und ich muss gestehen, dass mich diese Veränderung sehr unvorbereitet und nachhaltig getroffen hat. Seither ist nichts mehr so, wie es war. War ich vorher nahezu rund um die Uhr in direkter täglicher Kommunikation mit Schülern, Kollegen, Eltern,
Firmen und Behörden gestanden, so sind diese Kontakte seit dem Beginn des neuen Schuljahres im September komplett weggebrochen. Die täglichen Begegnungen und Herausforderungen im gegenseitigen Umgang haben mir, der ich für diesen Beruf regelrecht gelebt habe, gewaltig gefehlt. Der Schwerpunkt meines Aufenthaltes begrenzte sich plötzlich auf Haus und Garten. Um die damit zusammenhängenden Aufgaben hatte ich immer einen großen Bogen gemacht. Mein soziales Umfeld hat sich schon damals so massiv eingeschränkt, dass mich die Einschränkungen, die Corona mit sich gebracht hat, zunächst nicht sehr beeindruckt haben.
Einen Aufschwung im Sozialen brachte dann nach Weihnachten der Kommunalwahlkampf. Hier bot sich die Gelegenheit, als Kandidat für den Gemeinderat wieder durchzustarten und zu neuen sozialen Zielen aufzubrechen. Werbend und Image bildend. Der Drang nach außen nahm zu und Kommunikation und Kontakte auch. Doch mit dem erfolgreichen Abschluss der Wahlen kamen auch die Einschränkungen. Nun plötzlich nicht mehr selbst gewählt, sondern von außen verordnet. Sogar die Gemeinderatssitzung wurde abgesagt. Wann die nächste stattfindet, ist unklar. Das Rathaus ist geschlossen. Für einen Gemeinderat eine neue Erfahrung.
Was mir fehlt, ist meine acht Wochen alte Enkelin, die in Augsburg wohnt. Die ersten Wochen ihres Lebens haben wir sie alle paar Tage gesehen. Wir bei ihr oder sie mit Eltern bei uns. Seit Wochen gibt es nur noch Bilder und Videos. Jetzt, da sie sich verändert, da jeden Tag Neues dazu kommt, fehlt sie uns. Gerne würden wir sie lachen und mit ihren Händchen greifen sehen, würden sie auf dem Arm tragen und im Kinderwagen durch die Straßen schieben. Aber es liegen 40 Kilometer, ein Virus und eine Ausgangsbeschränkung dazwischen.
OKonrad Bestle wurde 1954 in Zierheim (Kreis Dillingen) geboren. Er ist verheiratet und lebt in Oberrohr. Bestle war 39 Jahre Sonderschullehrer und Schulleiter an der Ursberger Förderschule. Seit 2019 ist Bestle in Pension.