Noch viel Ungewissheit bei Notfallversorgung
Die Zahl der daran teilnehmenden Krankenhäuser in Deutschland wird sinken. Aber was ist mit den Kliniken im Landkreis Günzburg? Und wird der Rettungsdienst so bleiben können wie bisher?
Landkreis Die Notfallversorgung soll neu geregelt werden, nicht mehr alle Krankenhäuser werden künftig daran teilnehmen
So viel steht fest. Doch die genauen Auswirkungen auf die einzelnen Standorte sind nach wie vor ungewiss. Zuletzt hatten die Verantwortlichen aller Kliniken im Landkreis auf Anfrage unserer Zeitung gesagt, dass sie davon ausgehen, von keiner Veränderung betroffen zu sein. Es kursiert aber eine Liste aus Fachkreisen zu den einzelnen Häusern, die unserer Zeitung vorliegt. Und darin sind etwa die Kreiskliniken in Günzburg und Krumbach zwar weiter für die Versorgung von erwachsenen Notfallpatienten vorgesehen, aber nicht mehr für Kinder.
Der Kaufmännische Direktor der Kreiskliniken, Helmut Sauler, sagt dazu, dass schon jetzt nur eine Erstversorgung von Kindern geleistet werde und sie danach in eine spezielle Kinderklinik verlegt würden. Daher würde sich eine solche Änderung seiner Einschätzung nach für die Krankenhäuser nicht stark auswirken. Derzeit werde in einem Arbeitskreis ermittelt, welche Anforderungen es für die künftige Notfallversorgung gibt, welche bereits erfüllt werden und wo noch nachjustiert werden muss. Die meisten Kriterien würden wohl erfüllt, aber das Ziel sei es, in Stufe 2 für eine erweiterte Notfallversorgung eingestuft zu werden. Dafür werde ein Magnetresonanztomograph (MRT) benötigt, und dafür gebe es auch bereits eine entsprechende Planung.
Dass das Bezirkskrankenhaus in Günzburg in der Liste nicht bei der Notfallversorgung für Schlaganfallpatienten und in der Psychiatrie aufgeführt ist, habe nichts zu sagen, betont Vorstandsvorsitzender Thomas Düll. Auf Initiative der psychiatrischen Kliniken in Deutschland und weiterer Verbände gebe es eine Spezialregelung für diese Häuser, der der Gemeinsame Bundesausschuss zugestimmt habe. „Das habe ich schwarz auf weiß“, sagt Düll. Die betreffende Liste drehe sich um die Allgemeinkrankenhäuser. Kliniken mit Stroke Units, also einer speziellen Behandlung von Schlaganfallpatienten, seien davon nicht betroffen, ebenso wenig wie in der Psychiatrie.
Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende im Bundestag, Georg Nüßlein (CSU), hatte kürzlich unserer Zeitung gesagt, dass im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags eine Vertreterin des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) dargelegt habe, dass Krankenhäuser ohne Notfallversorgung künftig starke Abzüge bei der Finanzierung erhalten sollen. Das würde auch Rehabilitationsmaßnahmen betreffen. Stefan Krotscheck, Kaufmännischer Direktor der Fachklinik Ichenhausen, ist so etwas nicht bekannt. Sein Haus habe zwar Akutbetten im Bereich Innere Medizin, Neurologie und Orthopädie, aber damit werde keine Notfallversorgung angeboten. „Das sehen wir auch nicht als Schwerpunkt einer Rehaklinik.“Schon jetzt sei es so, dass man mit Akutbetten ohne Notfallversorgung Abschläge hinnehmen müsse. Auch Stefan Brunhuber, Geschäftsführer des Therapiezentrums Burgau, hat über Abzüge keine Kenntnis. Er geht weiter davon aus, dass die Reform sein Haus nicht tangiert. Ohnehin könne es ja nicht zielführend sein, in einem Bereich mit knappen Finanzen einer Einrichtung das Geld zu nehmen, um es einer anderen zu geben. Das Krankenhaus St. Camillus Ursberg war bisher schon nicht für die Notfallversorgung vorgesehen „und wird es auch künftig nicht sein“, erklärt Vize-Geschäftsleiter Johann Rudolph. Seiner Einschätzung nach werde sich der bisherige Abschlag je Patient in Höhe von 50 Euro erhöhen. Wie hoch er „für die Nichtteilnahme an der Notfallversorgung künftig ausfallen wird, steht noch nicht fest“.
Noch herrscht also in vielen Bereichen Ungewissheit, wie es weitergeht. Welche Kliniken an der stationären Notfallversorgung letztlich teilnehmen oder nicht, entscheidet auch nicht der Gemeinsame Bundesausschuss, der sich aus Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen zusammensetzt – und bei dem die Deutsche Krankenhausgesellschaft gegen die Reform votiert hatte. Die künftige Struktur „ergibt sich erst aus dem Ergebnis der Verhandlungen über die Zu- und Ab- für die Teilnahme an der stationären Notfallversorgung zwischen der Deutschen Krankenhausgesellschaft, dem GKV-Spitzenverband und dem Verband der privaten Krankenversicherung“, erklärt eine Sprecherin des Ausschusses. Für die Erfüllung der Kriterien seien Übergangsfristen vorgesehen. Darüber hinaus könne die jeweilige Landeskrankenhausplanungsbehörde „im Rahmen einer Ermessensentscheidung im Ausnahmefall Krankenhäuser, die als Spezialversorger ausgewiesen sind, für die Notfallversorgung vorsehen, wenn dies für die Gewährleistung der Notfallversorgung zwingend erforderlich ist“.
Sollten wie bislang geplant von bundesweit 1748 Krankenhäusern künftig noch 1120 entsprechende Zuschläge bekommen, müssten die Strukturen im Rettungsdienst angepasst werden. Für diesen sei es nicht gut, kleinere Häuser womöglich nicht mehr anfahren zu können und wenn die Zentralisierung weiter zunehme, sagt Kerstin Biedermann, Sprecherin des Regionalverbands Schwaben der Johanniter Unfallhilfe, die in Kötz einen Rettungswagen-Stellplatz betreibt. „Wenn die Wege länger werden, wird sich das auf die Einsätze auswirken.“Je länger ein Fahrzeug mit einem Patienten zur nächsten Klinik unterwegs ist, desto länger wird die Zeit, in der es für den nächsten Notfall nicht zur Verfügung steht. Und dann würden die ohnehin schon vorhandenen Löcher noch größer. „Zu Spitzenzeiten muss man sich fragen, wie das noch zu leisten ist.“Sie glaube nicht, dass bei einer Reform der Notfallversorgung auch die Zahl der Rettungswagen angepasst wird. „Das ist nicht zu Ende gedacht.“Christian Skibak, kommissarischer Leiter Rettungsdienst beim Roten Kreuz in Günzburg, schließt sich den Johannitern an. Und er gibt zu bedenken: Bis womöglich doch etwas nachjustiert ist, würde es einige Zeit dauern.
Der Chef der Rettungsleitstelle Donau-Iller, Reiner Wolf, sieht zwar auch längere Wege und Einsatzzeiten – doch der zuständige Zweckverband würde in diesem Fall mit einem Gutachten einen neuen Bedarf an Rettungsmitteln klären. Die Hilfsfrist müsse schließlich eingehalten werden. Und auch die stellvertretende Leiterin des Zweckverbands für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung, Margit Bendele, sieht die Notwendigkeit einer Anpassung der Fahrzeugvorhaltung, „sonst würden die Strukturen nicht mehr stimmen“. Die Reform der Notfallversorgung bei den Krankenhäusern würde zwangsläufig bayernweit eine große Reform beim Rettungsdienst nach sich ziehen. Der Ärztliche Leiter Rettungsdienst, Dr. Alexander Dinse-Lambracht, erwartet, dass dies so kommt. Doch erst einmal müsse abschläge gewartet werden, inwieweit die Politik hier noch Einfluss nimmt.
Die Bayerische Krankenhausgesellschaft hat bereits eine Umfrage erarbeitet, um die möglichen Auswirkungen der Reform der Notfallversorgung bei den einzelnen Kliniken zu erfassen. Es werde weniger Erlöse für die Einrichtungen geben, die sich nicht mehr beteiligen – die dann aber trotzdem akute Notfälle behandeln müssen. Sprecher Eduard Fuchshuber geht davon aus, dass die Krankenhäuser noch versuchen, ihre Infrastruktur anzupassen, um weiterhin an der Notfallversorgung teilnehmen zu können und somit keine Abschläge hinzunehmen.
Die Krankenkassen äußern sich nicht zu der Reform, da die zuständigen Landesbehörden prüfen, welche Kliniken die Kriterien für das neue Notfallstufensystem erfüllen. Sie verweisen an das Bayerische Gesundheitsministerium. Dort betont eine Sprecherin, dass die genannte Liste inzwischen überholt sei. Die vom Gemeinsamen Bundesausschuss beschlossene Richtlinie enthalte lediglich die Voraussetzungen für einen Vergütungszu- oder -abschlag, der im Rahmen der jährlichen Pflegesatzverhandlungen künftig zu vereinbaren ist. Es gehe nicht um die zwangsweise Schließung von Notaufnahmen, die
Für das BKH gilt eine Spezialregelung
Weitere Wege wirken sich auf die Einsatzzeiten aus
Strukturen anpassen, um die Kriterien zu erfüllen
Pflicht der Kliniken zur Hilfeleistung im Notfall bleibe unberührt.
Die meisten Voraussetzungen der neuen Richtlinie seien auch nicht Gegenstand des Bayerischen Krankenhausplans. Ob beziehungsweise welche Anforderung das jeweilige Krankenhaus erfüllen kann, hänge nicht zuletzt von zahlreichen innerbetrieblichen Faktoren ab, beispielsweise bei den Intensivbetten oder einem System zur Priorisierung der Behandlung von Notfallpatienten. Das Ministerium könne daher keine seriösen Aussagen dazu treffen, was die neue Regelung konkret für die einzelnen Häuser bedeutet. „Dies gilt umso mehr, als die Höhe der Abschläge beziehungsweise der jeweiligen Zuschläge für die drei Stufen von der Selbstverwaltung auf Bundesebene erst noch festgelegt werden muss. Im Übrigen dürften einige Krankenhäuser, die derzeit nicht alle Kriterien für einen Notfallzuschlag erfüllen, dies durch Anpassungen ihres Angebots eventuell ohne großen Aufwand ändern können.“Dafür seien ja auch Übergangsfristen vorgesehen.
Bayern habe sich für eine ganze Reihe von Änderungen an dem ursprünglichen Entwurf eingesetzt und das Ministerium werde nun versuchen, einen belastbaren Überblick über die Situation für die bayerischen Krankenhäuser zu gewinnen. Das könne aber nur durch eine Selbsteinschätzung der Kliniken erfolgen. Daher werde die Umfrage der Krankenhausgesellschaft unterstützt. Wenn es Anpassungen in den Häusern geben muss, um die Anforderungen zu erfüllen, sollen sie sich mit den für die Förderung zuständigen Behörden in Kontakt setzen.