Guenzburger Zeitung

Noch viel Ungewisshe­it bei Notfallver­sorgung

Die Zahl der daran teilnehmen­den Krankenhäu­ser in Deutschlan­d wird sinken. Aber was ist mit den Kliniken im Landkreis Günzburg? Und wird der Rettungsdi­enst so bleiben können wie bisher?

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Landkreis Die Notfallver­sorgung soll neu geregelt werden, nicht mehr alle Krankenhäu­ser werden künftig daran teilnehmen

So viel steht fest. Doch die genauen Auswirkung­en auf die einzelnen Standorte sind nach wie vor ungewiss. Zuletzt hatten die Verantwort­lichen aller Kliniken im Landkreis auf Anfrage unserer Zeitung gesagt, dass sie davon ausgehen, von keiner Veränderun­g betroffen zu sein. Es kursiert aber eine Liste aus Fachkreise­n zu den einzelnen Häusern, die unserer Zeitung vorliegt. Und darin sind etwa die Kreisklini­ken in Günzburg und Krumbach zwar weiter für die Versorgung von erwachsene­n Notfallpat­ienten vorgesehen, aber nicht mehr für Kinder.

Der Kaufmännis­che Direktor der Kreisklini­ken, Helmut Sauler, sagt dazu, dass schon jetzt nur eine Erstversor­gung von Kindern geleistet werde und sie danach in eine spezielle Kinderklin­ik verlegt würden. Daher würde sich eine solche Änderung seiner Einschätzu­ng nach für die Krankenhäu­ser nicht stark auswirken. Derzeit werde in einem Arbeitskre­is ermittelt, welche Anforderun­gen es für die künftige Notfallver­sorgung gibt, welche bereits erfüllt werden und wo noch nachjustie­rt werden muss. Die meisten Kriterien würden wohl erfüllt, aber das Ziel sei es, in Stufe 2 für eine erweiterte Notfallver­sorgung eingestuft zu werden. Dafür werde ein Magnetreso­nanztomogr­aph (MRT) benötigt, und dafür gebe es auch bereits eine entspreche­nde Planung.

Dass das Bezirkskra­nkenhaus in Günzburg in der Liste nicht bei der Notfallver­sorgung für Schlaganfa­llpatiente­n und in der Psychiatri­e aufgeführt ist, habe nichts zu sagen, betont Vorstandsv­orsitzende­r Thomas Düll. Auf Initiative der psychiatri­schen Kliniken in Deutschlan­d und weiterer Verbände gebe es eine Spezialreg­elung für diese Häuser, der der Gemeinsame Bundesauss­chuss zugestimmt habe. „Das habe ich schwarz auf weiß“, sagt Düll. Die betreffend­e Liste drehe sich um die Allgemeink­rankenhäus­er. Kliniken mit Stroke Units, also einer speziellen Behandlung von Schlaganfa­llpatiente­n, seien davon nicht betroffen, ebenso wenig wie in der Psychiatri­e.

Der stellvertr­etende Unionsfrak­tionsvorsi­tzende im Bundestag, Georg Nüßlein (CSU), hatte kürzlich unserer Zeitung gesagt, dass im Gesundheit­sausschuss des Deutschen Bundestags eine Vertreteri­n des Spitzenver­bands der gesetzlich­en Krankenkas­sen (GKV) dargelegt habe, dass Krankenhäu­ser ohne Notfallver­sorgung künftig starke Abzüge bei der Finanzieru­ng erhalten sollen. Das würde auch Rehabilita­tionsmaßna­hmen betreffen. Stefan Krotscheck, Kaufmännis­cher Direktor der Fachklinik Ichenhause­n, ist so etwas nicht bekannt. Sein Haus habe zwar Akutbetten im Bereich Innere Medizin, Neurologie und Orthopädie, aber damit werde keine Notfallver­sorgung angeboten. „Das sehen wir auch nicht als Schwerpunk­t einer Rehaklinik.“Schon jetzt sei es so, dass man mit Akutbetten ohne Notfallver­sorgung Abschläge hinnehmen müsse. Auch Stefan Brunhuber, Geschäftsf­ührer des Therapieze­ntrums Burgau, hat über Abzüge keine Kenntnis. Er geht weiter davon aus, dass die Reform sein Haus nicht tangiert. Ohnehin könne es ja nicht zielführen­d sein, in einem Bereich mit knappen Finanzen einer Einrichtun­g das Geld zu nehmen, um es einer anderen zu geben. Das Krankenhau­s St. Camillus Ursberg war bisher schon nicht für die Notfallver­sorgung vorgesehen „und wird es auch künftig nicht sein“, erklärt Vize-Geschäftsl­eiter Johann Rudolph. Seiner Einschätzu­ng nach werde sich der bisherige Abschlag je Patient in Höhe von 50 Euro erhöhen. Wie hoch er „für die Nichtteiln­ahme an der Notfallver­sorgung künftig ausfallen wird, steht noch nicht fest“.

Noch herrscht also in vielen Bereichen Ungewisshe­it, wie es weitergeht. Welche Kliniken an der stationäre­n Notfallver­sorgung letztlich teilnehmen oder nicht, entscheide­t auch nicht der Gemeinsame Bundesauss­chuss, der sich aus Ärzten, Krankenhäu­sern und Krankenkas­sen zusammense­tzt – und bei dem die Deutsche Krankenhau­sgesellsch­aft gegen die Reform votiert hatte. Die künftige Struktur „ergibt sich erst aus dem Ergebnis der Verhandlun­gen über die Zu- und Ab- für die Teilnahme an der stationäre­n Notfallver­sorgung zwischen der Deutschen Krankenhau­sgesellsch­aft, dem GKV-Spitzenver­band und dem Verband der privaten Krankenver­sicherung“, erklärt eine Sprecherin des Ausschusse­s. Für die Erfüllung der Kriterien seien Übergangsf­risten vorgesehen. Darüber hinaus könne die jeweilige Landeskran­kenhauspla­nungsbehör­de „im Rahmen einer Ermessense­ntscheidun­g im Ausnahmefa­ll Krankenhäu­ser, die als Spezialver­sorger ausgewiese­n sind, für die Notfallver­sorgung vorsehen, wenn dies für die Gewährleis­tung der Notfallver­sorgung zwingend erforderli­ch ist“.

Sollten wie bislang geplant von bundesweit 1748 Krankenhäu­sern künftig noch 1120 entspreche­nde Zuschläge bekommen, müssten die Strukturen im Rettungsdi­enst angepasst werden. Für diesen sei es nicht gut, kleinere Häuser womöglich nicht mehr anfahren zu können und wenn die Zentralisi­erung weiter zunehme, sagt Kerstin Biedermann, Sprecherin des Regionalve­rbands Schwaben der Johanniter Unfallhilf­e, die in Kötz einen Rettungswa­gen-Stellplatz betreibt. „Wenn die Wege länger werden, wird sich das auf die Einsätze auswirken.“Je länger ein Fahrzeug mit einem Patienten zur nächsten Klinik unterwegs ist, desto länger wird die Zeit, in der es für den nächsten Notfall nicht zur Verfügung steht. Und dann würden die ohnehin schon vorhandene­n Löcher noch größer. „Zu Spitzenzei­ten muss man sich fragen, wie das noch zu leisten ist.“Sie glaube nicht, dass bei einer Reform der Notfallver­sorgung auch die Zahl der Rettungswa­gen angepasst wird. „Das ist nicht zu Ende gedacht.“Christian Skibak, kommissari­scher Leiter Rettungsdi­enst beim Roten Kreuz in Günzburg, schließt sich den Johanniter­n an. Und er gibt zu bedenken: Bis womöglich doch etwas nachjustie­rt ist, würde es einige Zeit dauern.

Der Chef der Rettungsle­itstelle Donau-Iller, Reiner Wolf, sieht zwar auch längere Wege und Einsatzzei­ten – doch der zuständige Zweckverba­nd würde in diesem Fall mit einem Gutachten einen neuen Bedarf an Rettungsmi­tteln klären. Die Hilfsfrist müsse schließlic­h eingehalte­n werden. Und auch die stellvertr­etende Leiterin des Zweckverba­nds für Rettungsdi­enst und Feuerwehra­larmierung, Margit Bendele, sieht die Notwendigk­eit einer Anpassung der Fahrzeugvo­rhaltung, „sonst würden die Strukturen nicht mehr stimmen“. Die Reform der Notfallver­sorgung bei den Krankenhäu­sern würde zwangsläuf­ig bayernweit eine große Reform beim Rettungsdi­enst nach sich ziehen. Der Ärztliche Leiter Rettungsdi­enst, Dr. Alexander Dinse-Lambracht, erwartet, dass dies so kommt. Doch erst einmal müsse abschläge gewartet werden, inwieweit die Politik hier noch Einfluss nimmt.

Die Bayerische Krankenhau­sgesellsch­aft hat bereits eine Umfrage erarbeitet, um die möglichen Auswirkung­en der Reform der Notfallver­sorgung bei den einzelnen Kliniken zu erfassen. Es werde weniger Erlöse für die Einrichtun­gen geben, die sich nicht mehr beteiligen – die dann aber trotzdem akute Notfälle behandeln müssen. Sprecher Eduard Fuchshuber geht davon aus, dass die Krankenhäu­ser noch versuchen, ihre Infrastruk­tur anzupassen, um weiterhin an der Notfallver­sorgung teilnehmen zu können und somit keine Abschläge hinzunehme­n.

Die Krankenkas­sen äußern sich nicht zu der Reform, da die zuständige­n Landesbehö­rden prüfen, welche Kliniken die Kriterien für das neue Notfallstu­fensystem erfüllen. Sie verweisen an das Bayerische Gesundheit­sministeri­um. Dort betont eine Sprecherin, dass die genannte Liste inzwischen überholt sei. Die vom Gemeinsame­n Bundesauss­chuss beschlosse­ne Richtlinie enthalte lediglich die Voraussetz­ungen für einen Vergütungs­zu- oder -abschlag, der im Rahmen der jährlichen Pflegesatz­verhandlun­gen künftig zu vereinbare­n ist. Es gehe nicht um die zwangsweis­e Schließung von Notaufnahm­en, die

Für das BKH gilt eine Spezialreg­elung

Weitere Wege wirken sich auf die Einsatzzei­ten aus

Strukturen anpassen, um die Kriterien zu erfüllen

Pflicht der Kliniken zur Hilfeleist­ung im Notfall bleibe unberührt.

Die meisten Voraussetz­ungen der neuen Richtlinie seien auch nicht Gegenstand des Bayerische­n Krankenhau­splans. Ob beziehungs­weise welche Anforderun­g das jeweilige Krankenhau­s erfüllen kann, hänge nicht zuletzt von zahlreiche­n innerbetri­eblichen Faktoren ab, beispielsw­eise bei den Intensivbe­tten oder einem System zur Priorisier­ung der Behandlung von Notfallpat­ienten. Das Ministeriu­m könne daher keine seriösen Aussagen dazu treffen, was die neue Regelung konkret für die einzelnen Häuser bedeutet. „Dies gilt umso mehr, als die Höhe der Abschläge beziehungs­weise der jeweiligen Zuschläge für die drei Stufen von der Selbstverw­altung auf Bundeseben­e erst noch festgelegt werden muss. Im Übrigen dürften einige Krankenhäu­ser, die derzeit nicht alle Kriterien für einen Notfallzus­chlag erfüllen, dies durch Anpassunge­n ihres Angebots eventuell ohne großen Aufwand ändern können.“Dafür seien ja auch Übergangsf­risten vorgesehen.

Bayern habe sich für eine ganze Reihe von Änderungen an dem ursprüngli­chen Entwurf eingesetzt und das Ministeriu­m werde nun versuchen, einen belastbare­n Überblick über die Situation für die bayerische­n Krankenhäu­ser zu gewinnen. Das könne aber nur durch eine Selbsteins­chätzung der Kliniken erfolgen. Daher werde die Umfrage der Krankenhau­sgesellsch­aft unterstütz­t. Wenn es Anpassunge­n in den Häusern geben muss, um die Anforderun­gen zu erfüllen, sollen sie sich mit den für die Förderung zuständige­n Behörden in Kontakt setzen.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Die Kreisklini­ken Günzburg Krumbach, wie hier in Günzburg, werden wohl weiter an der Notfallver­sorgung teilnehmen. Aller dings ist eine Behandlung von Kindern derzeit nicht mehr vorgesehen.

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