Brüssel verlangt Millionen von Bosch und Conti
Die EU-Kommission zerschlägt drei Kartelle. Auch die deutschen Konzerne sollen sich abgesprochen haben
Brüssel Geheime Treffen in Bars und Büros, gefolgt von noch geheimeren Absprachen über Preise und Lieferbedingungen: Wenn EUWettbewerbskommissarin Margrethe Vestager über die konspirativen Aktionen von Verkaufsleitern in noblen Etablissements spricht, fühlt man sich wie in einem schlechten Film. Und doch hat die Dänin jetzt erneut drei Kartelle zerschlagen und unter anderem die deutschen Autozulieferer Bosch und Continental mit horrenden Millionenstrafen belegt. „Die Kartelle haben den europäischen Verbrauchern geschadet und sich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit ausgewirkt“, sagte Vestager dann doch verhältnismäßig nüchtern, als sie die Sünder öffentlich anprangerte.
Insgesamt verlangt die EU-Kommission mehr als eine halbe Milliarde Euro – und kündigte zugleich weitere Entscheidungen an: „Wir sind noch nicht fertig.“Auch die Ermittlungen wegen des möglichen deutschen Autokartells seien noch nicht abgeschlossen. Der Spiegel hatte im Sommer über angebliche Absprachen zwischen VW, Audi, Porsche, BMW und Daimler zu Technik, Kosten und Zulieferer berichtet. Die EU-Kommission prüft Hinweise dazu. Die jetzt verhängten Kartellbußen haben damit nach Vestagers Angaben nichts zu tun.
Im ersten aktuellen Fall geht es um illegale Preisabsprachen für den Seetransport neuer Autos, Lastwagen und anderer großer Fahrzeuge wie Traktoren und Mähdrescher. Das chilenische Unternehmen CSAV, die japanische „K“-Line, MOL und NYK sowie der norwegisch-schwedische Konzern WWLEUKOR hatten zwischen Oktober 2006 und September 2012 nicht nur die Verkaufspreise untereinander abgestimmt. Man teilte auch die Kunden unter sich auf, tauschte sensible Geschäftsinformationen über Gebühren und Preisaufschläge zum Ausgleich von Währungs- oder Ölpreisschwankungen aus. Das sei „keine Kleinigkeit“, hieß es gestern in Brüssel. Denn der Kunde habe die überhöhten Preise gezahlt – zum Beispiel durch die häufig sehr hohen Überführungskosten, die beim Kauf eines neuen Autos anfallen. Nun müssen die Unternehmen für die Absprachen zahlen: 395 Millionen Euro hat die Kommission als Geldbuße angesetzt.
Um Zündkerzen und Bremssysteme geht es in zwei weiteren Fällen, für die Strafen von 76 und 75 Millionen Euro verhängt wurden. Bosch Deutschland sowie die beiden japanischen Unternehmen Denso und NGK hätten zwischen 2000 und 2011 den Markt regelrecht unter sich aufgeteilt. Unter anderem vereinbarten die Manager, bestehende Kunden nicht anzutasten und Belieferungsrechte zu beachten.
Bosch ist auch in einem weiteren Fall involviert zusammen mit Continental Deutschland und dem früheren US-Konzern TRW, der heute ZF TRW heißt und in der Bundesrepublik residiert. Da ging es ebenfalls um verbotene Preisabsprachen, dieses Mal bei hydraulischen Bremssystemen, die die drei zwischen Februar 2007 und März 2011 an Daimler und BMW lieferten.
Dass die Käufer solcher Fahrzeuge geschädigt wurden, liegt auf der Hand. Die Geldbuße von 75 Millionen Euro müssen allerdings Bosch und Continental alleine tragen, weil TRW – ebenso wie Denso im Zündkerzen-Fall – der Kommission bei den Ermittlungen geholfen hatte und nun in den Genuss der Kronzeugenregelung kommt. Damit gehen die beiden Unternehmen straffrei aus.
Bosch erklärte, man habe eng mit der Kommission kooperiert, um die Sachverhalte zu klären. Das Unternehmen toleriere keine Verstöße gegen interne Leitlinien. Continental betonte, es gehe um einen lange zurückliegenden Informationsaustausch mit Mitbewerbern, den letzten Kontakt in diesem Zusammenhang habe es 2011 gegeben. Conti machte klar, sein System zur Sicherstellung von Regelkonformität sei seit Jahren etabliert. Die fraglichen Verstöße seien schon vor Einleitung des Verfahrens beendet gewesen.
Häufen sich die wettbewerbsverzerrenden Praktiken vor allem in der Auto-Branche? „Wenn es nur sehr wenige Anbieter in einem Sektor gibt, besteht die Verlockung, sich den Markt aufzuteilen“, erklärt Kommissarin Vestager in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker
Zeitung. Man handele nach dem Motto „Du nimmst den Osten, ich den Westen“. Aber die Häufung liegt nicht spezifisch an den Branchen Technologie und Automobil, sondern an der Struktur und der Art ihrer Produkte.