Heiße Herzen, fliegende Fäuste und eine große Geste
Bayerische Spitzenamateure bieten beim Güssencup in Leipheim hervorragende Kämpfe. 400 Fans lassen sich begeistern. Trotz der Magie des Augenblicks wahren alle Beteiligten Bodenhaftung. Die Hoffnungsträger des Gastgebers verlieren – und gewinnen dennoch
Leipheim Größer hätte der Kontrast nicht sein können: Inmitten strahlender Gesichter fiel es Robert Roh für einen Augenblick schwer, eine fröhliche Miene zu diesem magischen Abend der fliegenden Fäuste zu machen. Mit Miesepetrigkeit hatte dies freilich nichts zu tun; es war nur Ausdruck seiner totalen Hingabe an diesen so ehrlichen und so sehenswerten Sport. Als Abteilungsleiter Boxen des GüssencupGastgebers VfL Leipheim hätte er sich insgeheim natürlich ein paar Zuschauer mehr gewünscht als die knapp 400, die den Weg in die Halle fanden. „Und als Trainer wünscht man sich natürlich einen Sieg“, sagte er mit traurigen Augen.
Ja, der sportliche Erfolg blieb seinen beiden Talenten bei ihrem Heimdebüt verwehrt. Doch Benedikt Kirchhof boxte sich bei seiner Ringpremiere in die Herzen der Fans, indem er Emir Okanovic im Duell des Jugend-Halbschwergewichts alles abverlangte. Sehr mutig, mit vollem Herz und mit starker Technik ausgerüstet, ging der 18-Jährige seinem bereits kampferprobten Kontrahenten immer hinterher, blieb stets hellwach, war bei jedem Schlagwechsel auf Augenhöhe. Dass er am Ende knapp nach Punkten verlor, war allein dem Umstand geschuldet, dass er sich gegen Ende der zweiten und dritten Runde jeweils einen kleinen, konditionell bedingten Durchhänger leistete. Roh, der seinen Schützling aus der Ecke unaufhörlich angefeuert hatte, kommentierte die Entscheidung des Kampfgerichts diplomatisch: „Als Trainer würde ich sagen, es war ein Unentschieden.“
Am Ende zählte Kirchhof dennoch und gänzlich unverhofft zu den Gewinnern der Boxgala. Es war eine wunderbare Geste der Verantwortlichen und zugleich eine Verneigung vor der Schule von Robert Roh, dass der junge Mann aus Kleinkötz bei der Siegerehrung den Pokal als bester Boxer des Turniers erhielt. Gerührt schilderte der 18-Jährige seine mit einem glückseligen Blick auf den Pokal sagte er: „Das bedeutet für mich, dass ich gutes Boxen gezeigt habe und einsetzen konnte, was mir mein Trainer vorgemacht hat. Es war ein guter Kampf und die Auszeichnung wird natürlich eine Motivation für mich sein, dranzubleiben.“
Schmerzhaft verlief der Güssencup für die zweite Leipheimer Ringhoffnung. Daniel Waner verpennte den Beginn seines Kampfes gegen Mazrekaj Diamant (Junioren-Mittelgewicht) und holte sich in buchstäblich erster Sekunde eine blutige Nase. Anschließend wehrte er sich nach Kräften, aber einige böse Treffer später nahm Roh den 16-Jährigen aus dem Kampf. „Der Gegner war besser“, sagte Waner wenige Minuten später und räumte ein, was alle gesehen hatten: „Ich war in der ersten Runde nicht wirklich wach.“Trotzdem durfte selbst er sich als Gewinner fühlen: Den Sieg über sich selbst, über das Gefühl der Chancenlosigkeit und die für Boxer so notwendige Eigenschaft, einmal öfter aufzustehen als man hinfällt – all das hatte der junge Burgauer demonstriert. Für Roh war das Anlass genug, Waner zu loben und ihm Mut zu machen. „Er ist ein junger Bursche und wir werden ihm jetzt eine gute Pause geben, in der er sich erholen kann. Aber der Junge hat alle Anlagen. So was kann man nicht trainieren“, sagte der 38-Jährige.
Letztlich beurteilten es wohl nur wenige Boxfreunde als Stimmungsdämpfer, dass die Siegesserie der VfL-Faustkämpfer vor heimischer Kulisse abrupt riss und dass die Schwaben im Vergleich mit Oberbayern klar auf verlorenem Posten standen (3:6 hieß es am Ende). Viel wichtiger und möglicherweise zukunftsweisend war aus Sicht der Verantwortlichen und der Fans, dass der Güssencup 2017 größtenteils mitreißende Kämpfe geboten hatte. Es war ja auch viel Qualität in der Halle: Ein deutscher Nachwuchsmeister, drei bayerische Titelträger und neun Champions aus den Bezirken standen im Ring; rouGefühle, tinierte Haudegen ebenso wie totale Frischlinge demonstrierten in beeindruckender Manier die herbe Schönheit dieses Sports, der sicher wieder ein paar neue Freunde gefunden hat.
Ob es allerdings auch 2018 einen Güssencup geben wird, darüber wollte Roh an diesem Abend nicht spekulieren – im Gegensatz zu Gerhard Bachl, Bezirkssportwart Schwaben des Bayerischen Amateur-Boxverbands. Der verabschiedete sich mit den Worten „Wir sehen uns nächstes Jahr an gleicher Stelle wieder“übers Saalmikrofon vom Publikum. Es war eine Ankündigung, die Roh offenbar eher als Wunsch denn als Wirklichkeit beurteilt. Der 38-Jährige erinnerte stattdessen an die pausenlose Abfolge von Höhenflügen und Niederschlägen, die er und die Box-Abteilung in den vergangenen zwei Jahren erlebt hatten. Forderungen stellte Roh keine; mit seiner zurückhaltenden Wortwahl unterstrich er vielmehr, was einen guten Boxer neben rein athletischen und mentalen Qualitäten im Ring ausmacht: Demut und Bescheidenheit. Bei uns im Internet Die schönsten Impressionen von der Boxgala in Leipheim finden Sie unter guenzburger zeitung.de/lokales