Die wichtigsten Regeln für Neuaktionäre
Geldanlage Immer wieder werden Aktien als Ausweg für die Phase der niedrigen Zinsen empfohlen. Worauf muss der Anleger achten? Und welche Fehler vermeiden? Ein Fachmann sagt, worauf es ankommt
Die Phase niedriger Zinsen hält seit Jahren an. Immer wieder werden von Bankangestellten und Beratern Aktien oder Fonds als Alternative empfohlen. Viele Anleger aber schrecken davor zurück – vor allem nach negativen Erfahrungen mit den Telekom-Aktien zur Zeit der Jahrtausendwende. Zusammen mit Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz haben wir Regeln formuliert, die zeigen, wie Aktionäre Fehler vermeiden können.
Langfristig anlegen Bevor ein Anleger Geld in Aktien oder Fonds steckt, muss er sich überlegen, ob diese Anlageform die richtige für seine Zwecke ist. „Eine Anlage in Aktien oder Fonds ist für jeden etwas, der Geld mittelfristig bis langfristig anlegen will“, sagt Jürgen Kurz. Mittelfristig bedeutet zwischen drei und fünf Jahren, langfristig über fünf Jahre. Langfristig könnten Anleger nach bisherigen Erfahrungen im Schnitt zwischen vier und fünf Prozent im Jahr verdienen, berichtet er. „Aktien und Fonds sind nichts für eine kurzfristige Anlage“, warnt er. „Vernünftig – zum Beispiel für die Altersvorsorge – ist eine Anlage für zehn bis fünfzehn oder zwanzig Jahre.“Der Grund: Börsenkurse schwanken. Es gibt auch Jahre, in denen man im Minus sein kann. Eine 10 000-EuroAnlage kann dann nur noch 8000 Euro wert sein. „Es darf also nicht sein, dass Sie Aktien verkaufen müssen, weil das Auto oder die Wasch- kaputt sind“, sagt Kurz. Eine Sicherheitsreserve gehört deshalb auf das Tagesgeldkonto.
Aktien oder Fonds Viele Berater – auch die Verbraucherzentralen – raten explizit zu einer Anlage in Fonds, da sie das Risiko ausgleichen, dass es einer Firma schlechter geht und der Aktienkurs fällt. Eine spezielle Gruppe an Fonds – ETFs – bildet einfach einen Börsenindex ab und hat niedrige Kosten. Manche Anleger investieren trotzdem gerne in Einzelaktien. Dies wird deutlich, wenn man Privatleute auf den Aktionärsversammlungen trifft. „Wer in Einzelaktien investiert, muss wissen, dass er einen höheren Informationsaufwand und ein höheres Risiko hat“, sagt Kurz. Insbesondere an Anleger in Einzelaktien richten sich unsere folgenden Tipps.
Risiko streuen Einem Unternehmen kann es auch einmal schlechter gehen. Eine Grundregel für Aktionäre ist deshalb, das Risiko zu streuen. „Ideal für den Einstieg ist, in fünf verschiedene Einzelaktien zu investieren“, sagt Kurz. Idealerweise stammen diese auch aus fünf unterschiedlichen Branchen. „Denn Streuen heißt nicht, drei Autowerte zu kaufen.“Und auch wenn deutsche Anleger deutsche Unternehmen am besten kennen, sollten sie nicht nur in inländische Werte investieren. „Gut ist es, zwei der fünf Werte aus dem Ausland zu wählen“, sagt der Aktionärsschützer. Denn was, wenn es mit der deutschen Wirtschaft weniger rund läuft? Auch wer zeitversetzt über Monate oder Jahre kauft, senkt die Gefahr, zum falschen Zeitpunkt einzusteigen. Wer nicht streut, hat ein „Klumpenrisiko“im Depot, sagen Fachleute. Beispiel: Stammen drei Titel im Depot aus einer Branche, der es gerade schlecht geht, kann es sein, dass alle drei im Wert verlieren.
Mindestens 5000 Euro Wer streuen will, braucht ein Mindestmaß an Kapital. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz rät zu 5000 Euro. Sparpläne zum Beispiel auf Fonds oder Aktien sind aber bereits ab 50 oder 100 Euro im Monat möglich.
Nicht auf Kredit Es war vor allem ein Phänomen in der wilden Zeit des Neuen Marktes Ende der 90er Jahre: der Kauf von Aktien auf Kredit. Die Aktionärsschützer raten davon dringend ab. „Das ist nichts für Privatanleger und mit hohem Risiko verbunden“, sagt Kurz. Falle nämlich die auf Kredit gekaufte Aktie im Kurs, könne es sein, dass die Bank verlange, Geld nachzuschießen.
Solide Unternehmen Welches Unternehmen ist das richtige, um davon Aktien zu kaufen? „Die Investition in Aktien ist immer eine Investition in die Zukunft eines Unternehmens. Man sollte sein Geld also in AGs mit einem möglichst zukunftssicheren und gewinnträchtigen Geschäftsmodell stecken“, sagt Kurz. Dafür muss man sich mit den Firmen beschäftigen.
Folgende Fragen helfen weiter: Wie sieht die Gewinnentwicklung aus? Wie entwickelt sich der Ummaschine satz? Wie steht das Unternehmen im Verhältnis zum Gesamtmarkt da? In welch einem Markt bewegt es sich? Ist dieser anfällig für wirtschaftliche Schocks oder abhängig von staatlichen Eingriffen? Letztes hat die deutschen Energieversorger stark getroffen. Bisher galt auch das sogenannte Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) als wichtiges Kriterium. Es setzt den Kurs einer Aktie ins Verhältnis zum erwarteten Gewinn pro Aktie. Titel mit einem Verhältnis von unter 10 galten einst als billig, sagt Kurz. Er rät aber ab, die Kennzahl als einzigen Maßstab zurate zu ziehen. Schließlich kann ein gesunkenes KGV durchaus bedeuten, dass das Unternehmen nicht etwa billiger geworden ist, sondern dass der Markt bereits erste Probleme sieht.
Dividendenstarke Titel Ein Hinweis auf solide Unternehmen ist auch, dass die Firmen über Jahre zuverlässig Dividende ausschütten. „Das zeigt, dass ihr Geschäftsmodell funktioniert“, erklärt Kurz. Wer ein Depot mit fünf Einzelwerten aufbaut, solle zum Beispiel darauf achten, dass vier davon Dividendenwerte sind. „Wer dividendenstarke Titel kauft, muss sich über kurzfristige Schwankungen deutlich weniger Gedanken machen“, meint Kurz. Daneben gibt es Wachstumsunternehmen in neuen Branchen, die kaum oder keine Dividende zahlen, weil sie das Geld investieren und im Idealfall im Wert steigen. Berühmte Beispiele sind Apple, Amazon oder auch Netflix. Keine Panikverkäufe Wer häufig kauft und schnell verkauft, kann schnell Geld verlieren. „Hin und her macht Taschen leer, diese Regel gilt nach wie vor“, sagt Kurz. „Ein Anleger sollte sich von kurzfristigen Kursschwankungen nicht verrückt machen lassen.“Umgekehrt seien gefallene Kurse häufig gute Einstiegszeitpunkte.
Regelmäßig informieren Wer Aktien eines Unternehmens hält, sollte sich über dessen Entwicklung informieren. „Die alte Regel von Börsenguru André Kostolany, Aktien zu kaufen, ins Depot zu legen, zu vergessen und sich nach Jahren über den Gewinn zu freuen, gilt nicht mehr“, sagt Kurz. Zur sehr sei die Wirtschaft heute in Bewegung. Auf Hauptversammlungen zu fahren oder sich dort vertreten zu lassen, hält die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz für wichtig. Informationen über Umsatz, Gewinn und Kostenentwicklung bieten Unternehmen aber bereits leicht zugänglich auf ihren Internetseiten. Zudem lohne es sich, im Blick zu behalten, wie sich das Geschäftsmodell entwickelt. „Bei den Energieversorgern konnte man absehen, dass es schwierig wird“, sagt Kurz. Spannend sei in einigen Jahren zum Beispiel, ob es den Autobauern gelingt, auf die neuen Herausforderungen zu reagieren.