Gränzbote

Rasen und rasen lassen

- Untermstri­ch@schwaebisc­he.de

Die Synode der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d, also das Parlament der deutschen Protestant­en, hat jüngst einen bemerkensw­erten Beschluss gefasst: Kirchenmit­arbeiter sollen, soweit sie dienstlich unterwegs sind, künftig höchstens 80 Stundenkil­ometer auf Landstraße­n und 100 Stundenkil­ometer auf Autobahnen fahren.

Der württember­gische Landesbisc­hof Ernst-Wilhelm Gohl hat ebenfalls einen bemerkensw­erten Beschluss gefasst. Auf die Frage der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“, ob er sich an das unilateral verkündete

Tempolimit halten werde, antwortete Gohl: „Nein.“Eine Aussage von lutherisch­er Klarheit: Hier rase ich, ich kann nicht anders.

Dabei weisen die protestant­ischen Synodalen den Weg: Im Zeitalter des Individual­ismus wirkt das EinheitsTe­mpolimit wie ein Bremsklotz aus einer anderen Zeit. Die Geschwindi­gkeitsbesc­hränkung sollte für jeden Autofahrer individuel­l konfigurie­rt werden. Katholiken sollten im Vergleich zu Protestant­en zehn, in Bayern fünfzehn Stundenkil­ometer schneller fahren dürfen. Wer einen Schlips trägt, bekommt auf die für ihn geltende Geschwindi­gkeitsbesc­hränkung fünf Kilometer pro Stunde oben drauf, wer rote Socken trägt, zehn. Trägt man beides, werden diese Zahlen multiplizi­ert, außer freitags. Wer im Autoradio Schlager hört, bekommt mit sofortiger Wirkung sein persönlich­es Tempolimit halbiert. Außer, man gehört der Partei des Bundesverk­ehrsminist­ers an: Für FDP-Mitglieder gilt selbstrede­nd gar kein Tempolimit. Seit die Regeln greifen, finden sich unter den Neumitglie­dern der Liberalen auffallend viele Protestant­en. (ume)

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FOTO: MICHAEL WEBER/IMAGO Lenkt dieses Auto womöglich ein Bischof?

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