Gegen Chinas Weltauswahl in der Pflicht
Nach Kanada-Pleite müssen Deuschlands Eishockeyspieler gegen den Gastgeber gewinnen
PEKING - Am Tag nach dem schmerzhaften Olympia-Fehlstart war der Frust bei der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft schnell verflogen. Bundestrainer Toni Söderholm überraschte mit einem besonderen Spielchen, beim wilden Scheibenschießen zum Abschluss des Trainings wurde viel geflachst und gelacht. Klar ist aber bei allem Spaß, dass Deutschland sein zweites Vorrundenspiel in Peking gegen China (Sa., 9.40 Uhr/ZDF und Eurosport) gewinnen muss. Damit der Gastgeber überhaupt an den Olympischen Spielen teilnehmen durfte, nahm es der Eishockey-Weltverband mit seinen eigenen Regeln nicht besonders genau.
Die Fragwürdigkeit des OlympiaAuftritts Chinas wurde beim 0:8 gegen das vornehmlich aus Collegespielern bestehende US-Team noch deutlicher als bekannt war. Wegen der deutlichen Unterlegenheit des Weltranglisten-32. – hinter Spanien und vor Australien – hatte der Weltverband IIHF sogar darüber nachgedacht, China das traditionelle Olympia-Startrecht wieder zu entziehen.
Um die Chinesen nicht zu brüskieren, wurde man kreativ. Als chinesische Nationalmannschaft spielt nun kurzerhand Kunlun Red Star – das Team aus Peking spielt im Ligabetrieb in der russisch dominierten KHL. Kunlun mit lauter Nordamerikanern spielt offiziell wegen der Corona-Pandemie schon seit einiger Zeit mehr schlecht als recht in Moskau. In der KHL ist Kunlun abgeschlagen Letzter. Den 13 Kanadiern, drei US-Bürgern und einem Russen Kunluns wurden sogar chinesische Namen verpasst, mit den eigentlich strengen Regeln nahm es die IIHF dieses Mal nicht ganz so genau. Goalie Jeremy Smith, der als Jieruimi Shimisi aufläuft, hat wie der Russe Denis Ossipow und der Kanadier Ethan Werek schon sein Geburtsland bei einer Junioren-WM vertreten.
Obwohl China keine doppelte Staatsbürgerschaft erlaubt, gestand Jieke Kailiaosi: „Ich habe meinen USPass noch.“Kailiaosi heißt eigentlich Jake Chelios und ist der Sohn der NHL-Ikone Chris Chelios. Gesprochen wird in der Kabine mit dem italienischen Trainer Ivano Zanatta Englisch. Zumindest neun in China geborene Spieler wahren ein wenig den Schein. „Zu Olympia gehört auch immer ein Hauch Exotik“, formulierte Söderholm diplomatisch.
„Das ist eine Nation, die wir schlagen können“, sagte Stürmer Matthias Plachta. Natürlich weiß Plachta, dass die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) gegen den großen Außenseiter gewinnen muss. „Das kann man so hinstellen. Man muss aber jeden Gegner ernst nehmen“, meinte Plachta. Abgesehen davon, dass sich nach dem besorgniserregenden Auftritt des selbst ernannten Medaillenanwärters beim 1:5 gegen Kanada auch jede andere Einstellung verbietet, wäre alles andere als ein Sieg gegen die chinesische Weltauswahl eine Blamage.
Bundestrainer Toni Söderholm war am Freitag im Training um gute
Laune bemüht. Auf den herben Auftaktdämpfer und die Verletzung von Führungsspieler Marco Nowak reagierte das deutsche Team mit demonstrativer Lockerheit. „Wir sind alle so lange im Eishockey-Business, dass wir wissen, dass schlechte Laune nichts bringt“, sagte Plachta. „Wir sind eine Truppe, die Riesenspaß zusammen hat.“
Dies war zuvor im Training trotz des üblen 1:5 gegen eine C-Auswahl von Rekord-Olympiasieger Kanada ohne NHL-Stars deutlich zu spüren. Söderholm stapelte vor beiden Angriffsdritteln je fünf Pucks übereinander und ließ die rot gekleidete Hälfte des Teams gegen die schwarze antreten. Wer nicht traf, musste die Scheibe wieder auf den Stapel legen. Schwarz versenkte zuerst alle Pucks im Tor – und jubelte lautstark. „Toni hat immer ein paar Sachen in petto, die Spaß machen und die Stimmung auflockern“, sagte Plachta.
Führungsspieler Nowak fehlte im Training. Der 31-jährige Verteidiger fällt nach dem heftigen, aber ungeahndeten Check des Kanadiers Eric O’Dell mit Verdacht auf Gehirnerschütterung vorerst aus. Ob nur am Samstag gegen China oder auch im letzten Vorrundenspiel am Sonntag (14.10 Uhr/ARD und Eurosport) gegen die USA, ist unklar. „Heute ging es ihm schon besser als gestern“, meinte der DEB-Sportdirektor Christian Künast am Freitag. Da Nowak aber abseits des Eises schon wieder individuell trainierte, dürfte er in Peking wohl noch einmal spielen.
Eine zweite Niederlage, wie übrigens beim Sensationssilber vor vier Jahren in Südkorea, darf es für den DEB am Samstag nicht geben. „Es ist wichtig, dass wir Effizienz lernen“, mahnte Söderholm. „Den einen oder anderen qualitativ besseren Pass brauchen wir auch.“
3. Liga (26. Spieltag) Hallescher FC – FSV Zwickau 2:0 (1:0)