Alle profitieren von Banksy
Sein berühmtes Schredderbild kommt schon wieder unter den Hammer – Warum die Besitzerin auf einen hohen Gewinn hoffen kann
Ist Kunst nur etwas für Liebhaber? Von wegen. Ein Werk, das weltweit Schlagzeilen machte, war das sogenannte Schredderbild des Street-Art-Künstlers Banksy. Als das eher harmlose Bildchen eines Mädchens mit Luftballon 2018 versteigert wurde, begann es sich plötzlich zu bewegen, rutschte durch den Rahmen – und kam in Streifen geschnitten unten wieder heraus. Die Auktionsgäste schrieen vor Schreck – und die Kunstgeschichte ist seither um einen köstlichen Skandal reicher.
Nun geht die perfekt inszenierte Aktion weiter. Am Donnerstagabend kommt „Love is in the Bin“(Liebe ist im Eimer) beim Auktionshaus Sotheby’s unter den Hammer. 1,2 Millionen Euro hat es vor drei Jahren gekostet, jetzt wird es auf rund fünf bis sieben Millionen Euro geschätzt. Es könnte nicht nur für Sotheby’s ein sehr gutes Geschäft werden, sondern auch für die Besitzerin, eine „europäische Sammlerin“, wie es damals hieß.
So bringt Banksy den Kunstmarkt mal wieder zum Kochen, obwohl er ihn doch eigentlich mit der verrückten Aktion hatte kritisieren wollen. Das ließ er zumindest damals nach der Auktion ausrichten, während die anonyme Sammlerin großmütig verkündete, sie wolle das Bild kaufen, auch wenn es nun zerschnippelt sei. Dass sie jetzt auf einen unverschämten Gewinn hoffen kann, verdankt sie unter anderem der Staatsgalerie Stuttgart. Denn nach einer kurzen Visite im Museum Frieder Burda in Baden-Baden zog „Love is in the Bin“für ein Jahr in dem Stuttgarter Museum ein, das selbst von dem Hype profitierte. 70 000 Interessierte kamen, darunter viele, die gewöhnlich nicht ins Museum gehen.
Aber Banksy ist eben Kult. Seine Popularität verdankt er der Geheimniskrämerei um seine Person. Bis heute konnte seine Identität nicht gelüftet werden. Mal wurde der Brite, der im Jahr 1974 geboren worden sein soll, für eine Frau gehalten, dann hieß es, er sei der Sänger der britischen Band Massive Attack. Sobald in einer Stadt ein Graffito auftaucht, das von Banksy stammen könnte, wird spekuliert – bis der Künstler online verkündet, ob es von ihm stammt oder nicht.
Im Kunstbetrieb wird das Phänomen Banksy durchaus kritisch gesehen. Weil Christiane Lange, die Direktorin der Staatsgalerie Stuttgart zwar auf der Erfolgswelle mitreiten wollte, aber auch das Image ihres Hauses zu verteidigen hatte, lud sie die Kollegenschaft kurzerhand zu einer Diskussion ein. Die war sich weitgehend einig: Banksy sei unterkomplex und mache die Kunst flach.
Die Staatsgalerie fungierte dagegen willig als ‚Durchlauferhitzer’, wie es in Fachkreisen gern heißt. Sie ist nicht das erste Museum, das vom
Erfolg einer prominenten Leihgabe partizipierte – und diese im Gegenzug adelte, in dem sie ihr sozusagen museale Würden angedeihen ließ. Denn Museen verstehen sich als wissenschaftliche Einrichtungen, ihr Wort hat Gewicht, sie können Werken Qualität zu- oder absprechen.
In der Staatsgalerie wurde das Schredderbild nicht etwa in einer Sonderausstellung präsentiert, sondern es wanderte durch die Sammlung und wurde zum Beispiel neben Rembrandts „Selbstbildnis mit roter Mütze“gezeigt. Damit wollte man zwar Diskussionen anregen, brachte aber implizit auch zum Ausdruck, dass Banksy den Status eines kunsthistorisch bedeutsamen Werkes erreicht hat.
Ironie des Schicksals: Banksy versucht immer wieder, Mechanismen und Widersprüche des Betriebs zu kritisieren. Widersprüche, von denen allerdings auch er als Künstler aufs Schönste profitiert. Denn Banksys Marktwert ist durch das Schredderbild deutlich gestiegen. Erst im Mai wurde eines seiner Bilder versteigert – für fast 20 Millionen Euro.