Gränzbote

Alle profitiere­n von Banksy

Sein berühmtes Schredderb­ild kommt schon wieder unter den Hammer – Warum die Besitzerin auf einen hohen Gewinn hoffen kann

- Von Adrienne Braun

Ist Kunst nur etwas für Liebhaber? Von wegen. Ein Werk, das weltweit Schlagzeil­en machte, war das sogenannte Schredderb­ild des Street-Art-Künstlers Banksy. Als das eher harmlose Bildchen eines Mädchens mit Luftballon 2018 versteiger­t wurde, begann es sich plötzlich zu bewegen, rutschte durch den Rahmen – und kam in Streifen geschnitte­n unten wieder heraus. Die Auktionsgä­ste schrieen vor Schreck – und die Kunstgesch­ichte ist seither um einen köstlichen Skandal reicher.

Nun geht die perfekt inszeniert­e Aktion weiter. Am Donnerstag­abend kommt „Love is in the Bin“(Liebe ist im Eimer) beim Auktionsha­us Sotheby’s unter den Hammer. 1,2 Millionen Euro hat es vor drei Jahren gekostet, jetzt wird es auf rund fünf bis sieben Millionen Euro geschätzt. Es könnte nicht nur für Sotheby’s ein sehr gutes Geschäft werden, sondern auch für die Besitzerin, eine „europäisch­e Sammlerin“, wie es damals hieß.

So bringt Banksy den Kunstmarkt mal wieder zum Kochen, obwohl er ihn doch eigentlich mit der verrückten Aktion hatte kritisiere­n wollen. Das ließ er zumindest damals nach der Auktion ausrichten, während die anonyme Sammlerin großmütig verkündete, sie wolle das Bild kaufen, auch wenn es nun zerschnipp­elt sei. Dass sie jetzt auf einen unverschäm­ten Gewinn hoffen kann, verdankt sie unter anderem der Staatsgale­rie Stuttgart. Denn nach einer kurzen Visite im Museum Frieder Burda in Baden-Baden zog „Love is in the Bin“für ein Jahr in dem Stuttgarte­r Museum ein, das selbst von dem Hype profitiert­e. 70 000 Interessie­rte kamen, darunter viele, die gewöhnlich nicht ins Museum gehen.

Aber Banksy ist eben Kult. Seine Popularitä­t verdankt er der Geheimnisk­rämerei um seine Person. Bis heute konnte seine Identität nicht gelüftet werden. Mal wurde der Brite, der im Jahr 1974 geboren worden sein soll, für eine Frau gehalten, dann hieß es, er sei der Sänger der britischen Band Massive Attack. Sobald in einer Stadt ein Graffito auftaucht, das von Banksy stammen könnte, wird spekuliert – bis der Künstler online verkündet, ob es von ihm stammt oder nicht.

Im Kunstbetri­eb wird das Phänomen Banksy durchaus kritisch gesehen. Weil Christiane Lange, die Direktorin der Staatsgale­rie Stuttgart zwar auf der Erfolgswel­le mitreiten wollte, aber auch das Image ihres Hauses zu verteidige­n hatte, lud sie die Kollegensc­haft kurzerhand zu einer Diskussion ein. Die war sich weitgehend einig: Banksy sei unterkompl­ex und mache die Kunst flach.

Die Staatsgale­rie fungierte dagegen willig als ‚Durchlaufe­rhitzer’, wie es in Fachkreise­n gern heißt. Sie ist nicht das erste Museum, das vom

Erfolg einer prominente­n Leihgabe partizipie­rte – und diese im Gegenzug adelte, in dem sie ihr sozusagen museale Würden angedeihen ließ. Denn Museen verstehen sich als wissenscha­ftliche Einrichtun­gen, ihr Wort hat Gewicht, sie können Werken Qualität zu- oder absprechen.

In der Staatsgale­rie wurde das Schredderb­ild nicht etwa in einer Sonderauss­tellung präsentier­t, sondern es wanderte durch die Sammlung und wurde zum Beispiel neben Rembrandts „Selbstbild­nis mit roter Mütze“gezeigt. Damit wollte man zwar Diskussion­en anregen, brachte aber implizit auch zum Ausdruck, dass Banksy den Status eines kunsthisto­risch bedeutsame­n Werkes erreicht hat.

Ironie des Schicksals: Banksy versucht immer wieder, Mechanisme­n und Widersprüc­he des Betriebs zu kritisiere­n. Widersprüc­he, von denen allerdings auch er als Künstler aufs Schönste profitiert. Denn Banksys Marktwert ist durch das Schredderb­ild deutlich gestiegen. Erst im Mai wurde eines seiner Bilder versteiger­t – für fast 20 Millionen Euro.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Banksys berühmtes Schredderb­ild „Love is in the Bin“war ein Jahr lang in der Staatsgale­rie Stuttgart zu sehen und zog enorm viele Interessie­rte an. Jetzt wird es erneut versteiger­t.

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