Minister Hermann sieht ÖPNV in „Reparaturphase“
Zahl der Pkw-Neuzulassungen gestiegen – Land will Fahrgäste im Öffentlichen Nahverkehr bis 2030 verdoppeln
STUTTGART - Für Verkehrsminister Winfried Hermann wird der Weg zu einer Verdopplung der Fahrgäste im Öffentlichen Nahverkehr steinig. Zuletzt sei die Zahl der Neuzulassungen für Autos in Baden-Württemberg drastisch gestiegen, sagte der Grünen-Politiker. „Das ist für eine echte Verkehrswendepolitik ein echtes Problem.“Es müsse in den kommenden Jahren unbedingt gelingen, die Menschen vermehrt zum Umstieg auf Busse und Bahnen zu bewegen. Allerdings habe auch die CoronaPandemie dazu geführt, dass viele Menschen wieder verstärkt auf ihr Auto zurückgreifen und die Nutzung des ÖPNV eingebrochen sei. Hermann sagte: „Wir sind in einer Reparaturphase, nicht in einer Aufwärtsphase.“
Es ist jedoch eines der zentralen Vorhaben der grün-schwarzen Landesregierung: Bis zum Jahr 2030 sollen doppelt so viele Menschen mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren wie 2010. Sonst werde es nicht gelingen, Baden-Württemberg bis 2040 klimaneutral zu machen, sagte Hermann. Ein wichtiger Hebel sei die im Koalitionsvertrag geplante „Mobilitätsgarantie“. Das Konzept sieht vor, dass alle Orte im Südwesten von 5 Uhr früh bis Mitternacht mit dem ÖPNV erreichbar sein sollen. Die Garantie werde „nicht billig“, räumte Hermann ein. Ohne den guten Willen der Kommunen werde man nicht vorankommen. Denn für Busse und Stadtbahnen sind die Landkreise zuständig. Der Minister betonte, alle zuständigen Akteure müssten sich stärker an der Finanzierung eines verstärkten ÖPNV beteiligen. Der Grüne räumte aber ein: „Die Mobilitätsgarantie ist tatsächlich erstmal nur ein Leitbild.“Grüne und CDU hätten im Koalitionsvertrag darauf verzichtet, die Garantie gesetzlich zu verankern. „Denn dann müssten wir es auch finanzieren.“
Hermann bekräftigte, in dieser Wahlperiode bis 2026 wolle man es schaffen, dass im ländlichen Raum in den Hauptverkehrszeiten der Halbstundentakt gilt und im Ballungsraum der Viertelstundentakt. In der zweiten Stufe nach 2026 soll dies dann den ganzen Tag gelten. Im Endausbau würde die „Mobilitätsgarantie“etwa 600 Millionen Euro kosten. Um das Vorhaben zu finanzieren, will das Land unter anderem den Kommunen die Möglichkeit geben, eine Nahverkehrsabgabe einzuführen. Dann könnten die Kommunen entscheiden, ob sie alle Einwohner oder nur die Autofahrer zur Kasse bitten.
Zu den Kernmaßnahmen für die ÖPNV-Strategie gehört für das Verkehrsministerium nicht nur die Förderung des klassischen Linienverkehrs, sondern auch flexible Angebote wie Fahrten auf Abruf. Das Land unterstützt deshalb momentan fünf Pilotregionen beim Ausbau des sogenannten „on-demand“-Verkehrs im ländlichen Raum. Zu den ausgewählten Landkreisen, die für die Dauer von fünf Jahren mit bis zu 1,8 Millionen Euro unterstützt werden, gehört auch der Alb-Donau-Kreis.
Insgesamt stehen die Kommunen zu den ÖPNV-Ausbauzielen des Landes, dringen aber darauf, dass die Mobilitätsgarantie durch das Land getragen wird. Alexis von Komorowski, Hauptgeschäftsführer des Landkreistags, sagte, selbst die Mobilitätswende sei im Koalitionsvertrag unter Finanzierungsvorbehalt gestellt. „Solange die finanziellen Rahmenbedingungen nicht geklärt sind, stellt die Festlegung von Zieljahren und Zuständigkeiten einen Drahtseilakt dar.“