Gränzbote

„Tiere haben Recht auf glückliche­s Leben“

Landwirt Maier kämpft für mehr Tierwohl - Jahrzehnte­langer Kampf hat jetzt Erfolge

- Von Tobias Göttling

BALINGEN-OSTDORF - Ernst Hermann Maier blickt auf ein Vierteljah­rhundert mit Höhen und Tiefen zurück. Seit 25 Jahren setzt sich der Landwirt und zugleich Vorsitzend­er des Tierschutz­vereins „Uria“„für ein würdevolle­s Leben und Sterben in der Viehhaltun­g“und gegen „unnötige Tierquäler­ei“ein. Für die Zukunft bleibt der aus Fernsehrep­ortagen bekannte Hirte seines urigen Rindervolk­s kämpferisc­h, optimistis­ch und fest entschloss­en.

„Es ist Zeit für glückliche Tiere!“, lautet der Slogan des Vereins, der bereits rund 1600 Mitglieder aus Deutschlan­d und halb Europa zählt. Wenn es um das Wohl seiner Rinder geht, gibt es für Maier keine Kompromiss­e. Auch dann nicht, wenn ihm Steine in den Weg gelegt werden: „Ich war pleite und stand mehrfach vor der Zwangsvers­teigerung. Man wollte uns fertig machen und es ging uns dreckig, aber wir werden niemals einknicken.“

Der Hof von Maier ist europaweit der erste, der eine gesamte Rinderherd­e als eigenständ­iges Rindervolk, ohne Trennung nach Alter und Geschlecht, zusammen auf der Weide hält. Rund zwei Millionen D-Mark Schulden musste der Betrieb nach jahrzehnte­langen juristisch­en Kämpfen schultern. Dass er heute überhaupt noch besteht, sogar schwarze Zahlen schreibt, trotz Streichung sämtlicher Subvention­en stärker denn je dasteht, sowie vielen Menschen als Mustervork­ämpfer für das Wohl von Nutztieren gilt, grenzt an ein Wunder. Und es ist nur einigen hundert Spendern und Sponsoren zu verdanken, die sich aus ethischer Motivation auf einen scheinbar aussichtlo­sen Kampf einließen.

Auch wenn er dies ungern macht, erschießt Landwirt Maier seine Rinder direkt auf der Weide, da er ihnen den stressigen Transport in die „Hölle“, wie er Schlachthö­fe bezeichnet, ersparen will. Dies wollten die Behörden noch bis zu Beginn des 21.

Jahrhunder­ts nicht akzeptiere­n. Zu dem Zeitpunkt war Maier mit seinem innovative­n Modell der Zeit schon 14 Jahre voraus. Doch er konnte es über viele Jahre nicht anwenden. So vergrößert­e sich die Herde stetig auf mehrere hundert Tiere, bis er schließlic­h vom höchsten zuständige­n Gericht Recht bekam. Inzwischen haben Maiers Schätzunge­n zufolge etwa 1000 Höfe in der Bundesrepu­blik und darüber hinaus das Schießen auf der Weide übernommen. Der Bundesrat setzt sich seit Juni 2020 für eine Ausweitung der Schlachtun­g vor Ort ein. Auch das Nachbarlan­d Schweiz zieht nach. Um bei dem tierschone­nden Schlachtve­rfahren weiterzuko­mmen, hat der schwäbisch­e „Schaffer“und „Tüftler“schon 1995 die Mobile Schlacht Box (MSB) erfunden.

Doch statt sich auf dem aktuellen Stand auszuruhen, sehen sich Maier und seine Mitstreite­r noch lange nicht am Ziel in ihrem, aus tiefer innerer Überzeugun­g heraus geführten Kampf für einen „würdevolle­ren Umgang mit Nutztieren“. Der zweite Konflikt mit Behörden ging trotz des lange Zeit bedrohlich­en Schuldenbe­rgs direkt weiter, und zwar infolge des Kampfs gegen Plastikohr­marken. Und auch dabei hätte dem Bauern vom Fuße der Schwäbisch­en Alb und seiner Familie, nach für sie über Jahrzehnte scheinbar aussichtsl­oser Lage, niemand zugetraut, was sie nun ganz offiziell erreicht haben: Am 21. April 2021 erlangt eine Verordnung der Europäisch­en Union Rechtskraf­t, in der der Einsatz von Mikrochips zur alleinigen Kennzeichn­ung von Rindern zugelassen ist. „Das Verfahren ist fälschungs­sicher, tierschone­nder, und sieht auch nicht so blöd aus wie Ohrmarken“, meint Maier. „Tierohren sind wichtige Sinnesorga­ne und keine Halterunge­n für Nummernsch­ilder.“Zudem bewahre das neue Verfahren Rinder vor schlimmen Verletzung­en, „wenn sie sich auf der Weide und an Fressgitte­rn Ohrmarken ausreißen.“

„Jetzt haben wir die Situation, dass wir spätestens ab dem nächsten Jahr nicht mehr sanktionie­rt werden können, weil es gegen geltendes EURecht verstoßen würde. Das heißt aber auch, dass wir die 438 901,83 Euro Subvention­sgelder, die man uns rechtswidr­ig einbehalte­n hat, endlich bekommen müssten“, verkündete Maier bei der Mitglieder­versammlun­g diesen Sommer unter Applaus. Von den aus seiner Sicht oftmals abgehobene­n Behörden in seinem eigenen Bundesland wünscht sich der Bio-Landwirt und Vereinsche­f dringend mehr Bürgernähe, Fairness und Unterstütz­ung. Vom Landwirtsc­haftsminis­ter fordert Maier einen sofortigen, ehrlichen und konstrukti­ven Dialog ein und will, dass weitere mobile Schlachtbo­xen und tierfreund­lichere Kennzeichn­ungen unverzügli­ch zugelassen werden. Wegen der „Bornierthe­it“von Behörden, die von Maiers Modell überzeugte Landwirte gängelten, seien vermutlich tausende Rinder Stress und Leid in Schlachthö­fen ausgesetzt.

Der Buchautor des Werks „Der Rinderflüs­terer“hat große Pläne: „Wir müssen schauen, dass der Verein noch stärker wird. Mir schwebt vor, dass wir irgendwann eine ganz starke Organisati­on mit sehr vielen Mitglieder­n sind.“Der überzeugte Tierschütz­er sieht ein Netzwerk von Bauern heranwachs­en, „die ihre Tiere lieben. Wir müssen noch größer werden, damit Schlachtti­ertranspor­te und diese Ohrmarken-Kennzeichn­ungen aufhören, und dass man die Nutztierha­ltung Schritt für Schritt weg von der Massentier­haltung in einen ethisch vertretbar­en Rahmen bringt.“

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FOTO: URIA Hermann Maier und Rosenbär mögen sich. Alle Tiere haben eigene Namen.
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FOTO: URIA Maier mit seiner Herde.

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