Mehr Geld für die Opfer
Bischöfe versprechen bis zu 50 000 Euro Schmerzensgeld
FULDA (KNA) - Zehn Jahre nach Bekanntwerden des Missbrauchsskandals haben sich die deutschen Bischöfe auf ein einheitliches Verfahren zur Anerkennung des Leides von Missbrauchsopfern in der katholischen Kirche verständigt. Es soll am 1. Januar starten, wie der Vorsitzende der Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, am Donnerstag in Fulda mitteilte. Die Leistungshöhe soll sich zukünftig an Urteilen staatlicher Gerichte zu Schmerzensgeldern orientieren. Daraus ergebe sich ein Leistungsrahmen von bis zu 50 000 Euro. Zusätzlich können Betroffene, wie auch jetzt schon, Kosten für Therapieoder Paarberatung erstattet bekommen. Bislang erhalten Opfer durchschnittlich 5000 Euro.
Kritik kam von Opfer-Vertretern und vom Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig. Rörig begrüßte die Einigung zwar, monierte aber, dass die Deckelung auf 50 000 Euro zu kurz gegriffen sei.
FULDA/ULM - Missbrauchsopfer sollen mit einem Betrag von 50 000 Euro entschädigt werden. Darauf hat sich die deutsche Bischofskonferenz am Donnerstag geeinigt – und schafft damit erstmals die Grundlage für ein einheitliches Vorgehen. Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, begrüßt das neue Verfahren grundsätzlich. Bei Betroffenen stößt das Urteil auf Kritik – sie fordern deutlich höhere Zahlungen.
Es ist 14.02 Uhr an diesem Donnerstag, als der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, zum Abschluss der Herbstvollversammlung der Konferenz das Modell vorstellt, auf das sich die katholischen Oberhirten geeinigt haben: Jedes Opfer – egal ob in Diözesen oder Orden – soll Zugang dazu haben. Ein unabhängiges Gremium entscheidet auch über die Höhe der Leistungen. Dabei will sich die Kirche an der zivilrechtlichen Schmerzensgeldtabelle orientieren. Diese sieht für sexuellen Missbrauch derzeit Summen bis zu 50 000 Euro pro Fall vor. Bislang erhalten Opfer durchschnittlich eine Zahlung von 5000 Euro, in Härtefällen auch mehr.
Fast elf Jahre nach dem Bekanntwerden der Missbrauchsfälle am Berliner Canisius-Kolleg im Januar 2010, durch den der Skandal ins Rollen kam, gibt es damit ein einheitliches Verfahren. Denn nicht nur die 3600 Opfer katholischer Diözesanpriester, auch die 1400 Opfer von Ordenspriestern werden einen Anspruch auf die Leistungen haben.
Die Einmalzahlung von höchstens 50 000 Euro ist ein Kompromiss am unteren Rand der bisher diskutierten Leistungen. Beispielsweise hatte das Bistum Augsburg noch im August bis zu 75 000 Euro angekündigt: Lösungen, die in den vergangenen Jahren bereits gefunden worden seien und zu einer Befriedung zwischen Betroffenen und Diözesen geführt hätten, sollten aber fortbestehen, sagt Bätzing. Zusätzlich könnten Betroffene Kosten für Therapieoder Paarberatung erstattet bekommen. Die Zahlungen würden für jeden Betroffenen durch ein unabhängiges Entscheidungsgremium individuell festgelegt, präzisiert der Bischof. Diesem Gremium sollen sieben Frauen und Männer angehören. Es werde mit Fachleuten aus Medizin, Recht, Psychologie und Pädagogik besetzt. Die Mitglieder dürften nicht bei der Kirche angestellt und damit von ihr abhängig sein. Das Gremium werde nicht nur die Leistungshöhe festlegen, sondern auch die Auszahlung der Summen anweisen. Auf diesem Wege solle das Verfahren beschleunigt werden, was viele Betroffene angemahnt hätten. Die Mitglieder würden durch einen Ausschuss ausgewählt, dem mehrheitlich nichtkirchliche Vertreter angehören sollen.
Noch während Bätzing am Mittwoch spricht, kritisiert der Sprecher der Initiative „Eckiger Tisch“, Matthias Katsch im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“, das Modell: „Wir sind enttäuscht, aber ohne die Arbeit der vergangenen zehn Jahre hätte es auch diesen Kompromiss nicht gegeben, wäre nicht erreicht worden.“Die Entscheidung der Bischöfe führe „in die Irre“, denn es gehe nicht um den Ausgleich für aktuelle Taten, wie sie mit Schmerzensgeldtabellen staatlicher Gerichte erfolge, sondern es müsse um einen Ausgleich gehen für „jahrzehntelange systematische Vertuschung und Verdunkelung von Verbrechen an Kindern und Jugendlichen durch die Institution Kirche und die Folgen, die dies in den Biografien der Opfer hinterlassen hat“, so die Initiative. „Deshalb fordern wir, die Empfehlungen der unabhängigen Kommission zu Sexuellem Missbrauch aus 2019, in denen Experten Schmerzensgeldzahlungen zwischen 40 000 und 400 000 Euro empfohlen haben, zur Grundlage von Gesprächen zwischen Betroffenen und Bischöfen zu machen.“
„Diese hohen Summen zu fordern: Das war nie realistisch“, widerspricht im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“Klaus Nadler aus Weingarten, der als Jugendlicher im Erzbistum Freiburg missbraucht worden war. „Mehr war nicht rauszuholen.“Seinen Beruf als Zahntechniker musste er aufgeben, muss sich immer wieder in psychiatrische Behandlung begeben: „An einen finanziellen Ausgleich für die gescheiterte Karriere habe ich nie geglaubt.“Die jetzt angekündigten Zahlungen seien zu erwarten gewesen, das Erzbistum Freiburg habe bereits 15 000 Euro überwiesen: „Wenn sich die Kirche an das Modell hält, ist es gut.“