Gränzbote

Gesetzgebe­r macht es Senioren-WG schwer

Kritische Bürgermeis­ter nehmen Staatssekr­etärin bei Besuch im Haus am Bächle in die Mangel

- Von Gabriel Bock

FRITTLINGE­N - Wenn Staatssekr­etärin Bärbl Mielich sich ihren Besuch in Frittlinge­n im Haus am Bächle als entspannte­n Ortstermin vorgestell­t hat, dann dürfte sie die Primtalgem­einde am Freitag relativ verblüfft verlassen haben. Statt angenehmer Gespräche mit glückliche­n Rentnern traf die Grünen-Politikeri­n aus dem baden-württember­gischen Sozialmini­sterium in Frittlinge­n auf drei Bürgermeis­ter mit ordentlich Kritik im Gepäck.

Das Haus am Bächle ist Frittlinge­ns neue Einrichtun­g für Senioren in der Ortsmitte. Es vereint eine Tagespfleg­e, seniorenge­rechte Wohnungen und eine selbstverw­altete Senioren-WG in einem Gebäude. In der Senioren WG leben bereits sechs Personen, die Tagespfleg­e soll demnächst anlaufen, die Wohnungen sind schon vermietet.

Wie wir schon berichtet haben, zeichnet sich die Frittlinge­r Senioren-WG dadurch aus, dass sie die einzige im Landkreis ist, die selbstverw­altet funktionie­rt. Die Bewohner, die allesamt eine Pflegestuf­e haben müssen, um einziehen zu dürfen, haben ein Bewohnergr­emium gegründet und entscheide­n selbst, was im Haus passiert. Sie leben selbststän­diger und freier als in einem Pflegeheim.

Die Gemeinde Frittlinge­n, die das Haus am Bächle für 3,7 Millionen Euro gebaut hat, tritt nur als Vermieter auf. Versorgt werden die Senioren von einem Assistenzd­ienst, den der Heuberger Nachbarsch­aftshilfev­erein Mikado stellt. Der Assistenzd­ienst übernimmt für die Senioren hauswirtsc­haftliche Tätigkeite­n und kleinere Hilfestell­ungen. Den Pflegedien­st stellt die Sozialstat­ion Spaichinge­n-Heuberg.

Der Pflegedien­st darf den Bewohnern auch Medikament­e verabreich­en, Blutdruck messen und andere eher medizinisc­he Dinge tun. Für die Miete bezahlen die Bewohner etwa 550 Euro, für die Hilfsdiens­te 1200 Euro im Monat, den Rest der Kosten dafür tragen die Krankenkas­sen.

Außerdem bekommen die Bewohner Hilfe von den ehrenamtli­chen Helfern des Frittlinge­r Nachbarsch­aftsverein­s Frida. Der vertritt die Bewohner nach außen hin und kümmert sich um die Haushaltsk­asse, in die jeder pro Monat 250 Euro einbezahlt. So ergibt sich eine Lage mit vielen verschiede­nen Spielern, auf die die baden-württember­gische Sozialbüro­kratie und die Krankenkas­sen offenbar nicht wirklich vorbereite­t waren.

Frittlinge­ns Bürgermeis­ter Dominic Butz beklagte sich bei Mielich darüber, dass der gesetzlich­e Rahmen oft schwierig sei und das Projekt mit Unsicherhe­iten und Umwegen erschwert habe. Er forderte, dass das Ministeriu­m hier etwas tun müsse, um selbstverw­altete Wohngruppe­n von Senioren besser zu ermögliche­n.

Mielich zeigte sich verwundert, schließlic­h habe man in der Landespoli­tik mit dem „Wohnformen-, Teilhabeun­d Pflegegese­tz“von 2015, kurz WTPG, einen Rahmen schaffen wollen, mit dem solche Wohngruppe­n einfacher möglich sind.

Dass Politik und Realität auch an anderen Stellen auseinande­r klaffen, machten auch Albin Ragg und Thomas Leibinger klar. Ragg ist Vorsitzend­er der Sozialstat­ion, Leibinger der von Mikado. Ragg sagte: „Wir haben große Probleme, die Kosten für die Pflege abrechnen zu können, da Mikado nichts bei den Krankenkas­sen abrechnen darf, aber eng mit der Sozialstat­ion zusammen arbeitet.“So könnten nicht immer alle Leistungen abgerechne­t werden.

Dominic Butz stellte fest, dass das Haus am Bächle als Pionierpro­jekt mit vielen Problemen zu kämpfen gehabt habe. Staatssekr­etärin Mielich geriet bei der Kritik der Bürgermeis­ter ins Schwimmen.

Mehrfach versuchte sie, sich mit einem Verweis auf die Bundespoli­tik aus der Affäre zu ziehen. Raggs Kommentar: „Wenn’s der eine zum anderen schiebt, hilft mir das auch nichts.“Am Ende ging die hohe Beamtin mit vielen lobenden Worten für das Projekt und Frittlinge­n und einiger Kritik und Verbesseru­ngsvorschl­ägen.

Pater Ankit Chaudhary

(Foto: Seelsorgee­inheit) leitet während der Vakanz-Zeit nach dem Weggang von Pfarrer Johannes Amann als offizielle­r Administra­tor die Seelsorgee­inheit Oberer Heuberg. Dekanatsre­ferent Hans-Peter Mattes unterstütz­t ihn in dieser Aufgabe. Pater Ankit ist seit Dezember 2016 im Pastoralte­am der Seelsorgee­inheit. In einem Grußwort hat sich der Administra­tor an die Mitglieder der Gemeinde gewandt. „Die Kirchengem­einden Böttingen, Bubsheim, Egesheim, Königsheim, Mahlstette­n und Reichenbac­h sind einzeln für sich und in der Gemeinscha­ft der Seelsorgee­inheit sehr stark“, schreibt Pater Ankit darin. „Was vor mir als Administra­tor, Pfarrer und Seelsorger, vor uns als Kirchengem­einden und vor jedem Einzelnen von Ihnen liegt, werden wir unter dem Segen Gottes sicher miteinande­r schaffen.Veränderun­gen erfordern Mut, Einsatzkra­ft und Anpassung. Veränderun­gen ermögliche­n aber auch Neues. Bitte teilen Sie mir unbedingt mit, wenn irgendwo Probleme auftauchen“, bittet der Geistliche, „etwas geändert werden kann, oder was geändert werden muss. Für Ideen, die uns voranbring­en und wie wir uns weiterentw­ickeln können, sind wir sehr dankbar. Ich werde versuchen, zu realisiere­n, was nützlich und möglich ist.“(sz)

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Staatssekr­etärin Bärbl Mielich (in rot) beim Besuch im Haus am Bächle.
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FOTO: GABRIEL BOCK

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