Empfehlenswert
Das ZDF hat Juli Zehs Roman mit starken Darstellern aus dem Osten verfilmt
ZDF-Dreiteiler „Unterleuten“nach dem Buch von Juli Zeh.
Idyllisch ist das brandenburgische Dorf Unterleuten nur aus der Ferne. Denn was sich zwischen ockergelben Feldern und hinter bröckelnden Fassaden abspielt, erinnert an eine Schlangengrube. Eine Grube, in die durch den geplanten Bau von zehn Windrädern erst richtig Leben kommt. Den komplexen Mikrokosmos dieses fiktiven Dorfes beschrieb Juli Zeh 2006 in ihrem Roman „Unterleuten“– und landete damit einen echten Überraschungserfolg. Kaum einer hat wohl geglaubt, dass die Befindlichkeiten in einem 200-Seelen-Dorf irgendwo im ostdeutschen Niemandsland Leser in ganz Deutschland derart fesseln könnten. Monatelang stand das Buch auf den Bestsellerlisten.
Nun also kommt die Verfilmung dieses Gesellschaftromans als Dreiteiler ins Fernsehen. Ein gewagtes Unterfangen in mancherlei Hinsicht, wie oft bei Literaturverfilmungen: Wem die Personen eines Romans in den Stunden des Schmökerns ans Herz gewachsen sind, der ist oft enttäuscht, wenn Gesicht, Stimme und Habitus der Filmgestalt sich nicht mit der eigenen Vorstellung decken. Zudem muss eine Literaturverfilmung immer verdichten. Auf mehr als 640 Seiten lässt Juli Zeh in „Unterleuten“elf Charaktere die Geschichte aus ihrer eigenen Perspektive erzählen. Durch den ständigen Wechsel in der Perspektive bleibt der Spannungsbogen konstant erhalten, der Leser blickt tief in die Seele jedes einzelnen Protagonisten.
Zum Beispiel in die von Gombrowski, dem Macher, ein Mann, der immer obenauf schwimmt: Nach der Landenteignung seiner Familie arbeitete er sich in DDR-Zeiten zum Leiter der LPG „Gute Hoffnung“hoch, die er nach der Wende geschäftstüchtig in die „Ökologica GmbH“umfirmierte. Für sein Dorf Unterleuten hat er schon immer alles getan. Sein Erzfeind ist Kron, ein in der Wolle gefärbter Kommunist, dessen Frau in den Westen rübermachte und der deshalb seine Tochter Kathrin alleine großgezogen hat. Als nun die Windräder kommen sollen, steht für ihn außer Zweifel, dass Gombrowski an den Strippen zieht.
Drehbuchautor Magnus Vattrodt und Regisseur Matti Geschonneck bauen ihre „Unterleuten“-Geschichte um diese beiden Widersacher herum auf, eine notwendige Reduzierung. Hinzu kommen die Kron-Tochter Kathrin, die von der Großstadt zugezogene Linda Franzen und – ein wirklich gelungener Coup – die Vertreterin der Windkraftfirma „Vento Direct“, Anne Pilz. Aus dem blassen Büroheld Pilz im Roman wird im Film eine feurige, skrupellose Geschäftsfrau (Mina Tander). Eine Veränderung, die überzeugt.
Ansonsten entwickelt sich die Windradgeschichte in der ersten Folge eher gemächlich. Das Erzähltempo passt sich der flirrenden Hitze eines Sommers in Brandenburg an. Erst die Versammlung im Dorfgasthof, bei der eben jene Anne Pilz die Pläne der Landesregierung vorstellt, in Unterleuten zehn Windräder zu bauen, bringt Schwung in die Geschichte. Alle rätseln, auf wessen Land die Windräder stehen sollen – und wer demnach den größten finanziellen Gewinn einstreicht. Und alle empören sich lauthals über die Bevormundung der Politik – am lautesten die zugezogenen Berliner wie der Soziologe Gerhard Fließ und die Pferdetherapeutin Linda Franzen. Alternative Energien ja, aber bitte nicht im eigenen Blickfeld. Allianzen werden geschlossen und wieder gekündigt, Ost kämpft gegen West, die Alten gegen die Jungen.
Allerdings wird dem Zuschauer schon etwas Geduld abverlangt, bis tatsächlich dieser Sog entsteht, der im Buch vom ersten Kapitel an in diesen dörflichen Mikrokosmos hineinzieht. Aber er entsteht irgendwann. Das liegt zum Großteil an den Darstellern.
Die Rollen der Dorfbewohner ausschließlich mit ostdeutschen Darstellern zu besetzen, ist eine grandiose Idee. Gestandene Theatermimen wie der wuchtige Thomas Thieme als Gombrowski und der gebrechliche Hermann Beyer als Kron, aber auch Dagmar Manzel (Hilde Kessler), Christine Schorn (Elena Gombrowski) und Jörg Schüttauf (Bürgermeister Seidel) geben ein eindrückliches Beispiel für große Schauspielkunst aus dem Osten der Republik. Sie werden auch Fans des Romans überzeugen. Dagegen bleiben die jungen Darsteller aus dem Westen wie Miriam Stein als geschäftige Linda Franzen und Rosalie Thomass als verhuschte Ehefrau des zugezogenen Soziologen blass. Gewiss, Ulrich Noethen (Dr. Fließ) und Bjarne Mädel als verkappter Schriftsteller
sind erwartungsgemäß keine falsche Besetzung. Aber ihre Rollen kommen über Klischees nicht hinaus.
Wer bislang keine Vorstellung davon hatte, wie von der Politik vergessen sich Menschen in einem Dorf im Berliner Umland fühlen, die von Burnout-geplagten Städtern mit ihrem irrealen Wunsch nach Idylle überrannt werden – „Unterleuten“zeigt diese desillusionierten Menschen, die nach eigenen Regeln leben, sich ihre eigene Moral stricken. Diese fatalistische Stimmung fängt der Film gut ein. Allein schon deshalb lohnt sich das Einschalten.
„Unterleuten – Das zerrissene Dorf“. Nach dem Roman von Juli Zeh. Mo., Mi., Do., 20.15 Uhr, ZDF.