Kein Geld gespart
Der Autofahrer tankte, ohne zu bezahlen – In der Verhandlung leugnet er die Tat bis zum Schluss
Tankbetrüger muss statt 80 Euro für geklauten Diesel 1200 Euro Strafe zahlen.
TUTTLINGEN - Und plötzlich fällt seine Rechnung 15 Mal so hoch aus wie an der Tankstellenkasse verlangt. Ein Tuttlinger ist am Montag wegen Betrugs vor dem Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 1200 Euro verurteilt worden. Dabei hätte er im Sommer 2018 für eine Tankladung nur 80 Euro zahlen müssen. Stattdessen fuhr er einfach los. Das für die Verteidigung wichtigste Beweismittel – eine Videoaufnahme – kennt nur die Zeugin. Für den Richter und den Staatsanwalt ist der Fall trotzdem klar.
Der Angeklagte ist 65 Jahre alt. Adrett gekleidet mit Hemd und Sakko läuft er in den Sitzungssaal, stellt die Aktentasche ab. Vor sich breitet er alle Prozessunterlagen auf dem Anklagetisch aus, überschlägt die Beine und macht sich unentwegt Notizen. „Ich habe es gar nicht nötig, nicht zu bezahlen“, sagt er entschlossen. Auf seiner Stirn glänzt der Schweiß. Mit den Händen reibt er sich immer wieder über die Oberschenkel.
An einem Juliabend 2018 füllte der Betriebswirt in Tuttlingen für rund 80 Euro seinen Dieseltank auf. Mit der Absicht, nicht zahlen zu wollen, sei er einfach davon gefahren, wirft Julian Ziegler, Referendar der Staatsanwaltschaft, dem Mann vor. Stimmt nicht, behauptet der Angeklagte. „Ich habe getankt und anschließend bar gezahlt.“
Aber es gibt weder Münzen noch Scheine und auch keine Kassendifferenz.
„Wenn die Kassenlade noch von einem vorherigen Kunden geöffnet ist, wird der Vorgang nicht erfasst. Dann hätten aber 80 Euro Plus bei der Kassenprüfung rauskommen müssen“, erklärt die Tankstellenbetreiberin. Alles, was bleibt, ist eine Buchung auf einem Tankstellenkonto, das alle Zahlungen erfasst, die noch ausstehen. „Das kann ja mal passieren. Viele Kunden kommen dann später zurück und holen die Zahlung nach“, sagt die Zeugin. Auf den Angeklagten wartet sie aber vergeblich. Die 35-Jährige schaltet den Anwalt ein. In den Anhang lädt sie einzelne Bilder, die die Tat beweisen sollen. „Eine ganze Videosequenz ist eine zu große Datenmenge“, erklärt die Unternehmerin. „Und wie es der Teufel so wollte, habe ich mir einen Virus auf dem Arbeitscomputer eingefangen.“ Die Folge: Als die Polizei sich das Überwachungsvideo ansehen möchte, ist die Datei zerstört.
„Die Videoaufzeichnung muss rekonstruiert werden. Das ist das entscheidende Beweismittel“, sagt Verteidiger Bernhard Mussgnug und stellt einen Antrag zur Wiederherstellung der Aufnahme. „Fakt ist: Ich habe das Video gesehen. Ich habe gar keinen Grund, willkürlich jemanden zu beschuldigen. Als hätte ich nichts anderes zu tun“, erklärt sich die Tankstellenbetreiberin.
Für den Staatsanwalt ist das glaubwürdig. Die Datei zu retten sei sowieso unverhältnismäßig aufwändig und teuer. Richter Thomas Straub lehnt den Antrag ab.
Wobei er sich schon frage, warum der Angeklagte nicht zahlte. „Offensichtlich stecken Sie nicht in Geldnot“, sagt Straub. Der Mann verdient 3900 Euro netto, hat keine bedeutenden Schulden.
Der Staatsanwalt schlägt eine Geldstrafe in Höhe von 2700 Euro vor. Dass er bar gezahlt habe, sei bloß eine Schutzaussage, wertet Ziegler. Allerdings halte er dem Angeklagten zugute, dass er noch nicht vorbestraft ist. Für den Verteidiger ist der Fall ohne das Video nicht gelöst: „Hier steht Aussage gegen Aussage“, daher plädiere er für einen Freispruch.
Zwar glaubt auch Richter Straub, dass der Angeklagte bewusst betrogen hat. Er mildert den Vorschlag der Staatsanwaltschaft aber ab und entscheidet sich für eine Geldstrafe in Höhe von 1200 Euro.