Gränzbote

Neuer Tiefschlag aus Ankara

Der Kooperatio­nsanwalt der deutschen Botschaft wird beschattet und festgenomm­en – Was hinter dem Fall steckt

- Von Susanne Güsten

ISTANBUL - Monatelang hatte die türkische Polizei den Kooperatio­nsanwalt der deutschen Botschaft in Ankara im Visier. Als Anwalt Yilmaz S. im September mit dem Fernbus von Istanbul in die türkische Hauptstadt fuhr, um der Botschaft einen Stapel Dokumente zu übergeben, saß hinter ihm unerkannt ein Beamter in Zivil. Am Zielort schlug die Polizei zu. „Sie haben ihn damals am Busbahnhof von Ankara festgenomm­en“, sagte ein Freund von S., der Anwalt Baki D., am Freitag der „Schwäbisch­en Zeitung“in Istanbul. D. wurde ebenfalls festgenomm­en, ist aber wieder auf freiem Fuß. Eine Anklage liege noch nicht vor.

Zu den Details darf sich D. nicht äußern, weil die Prozessakt­en als geheim eingestuft wurden. Aus anderen Quellen werden aber immer mehr Einzelheit­en über einen Fall bekannt, der den deutsch-türkischen Beziehunge­n einen neuen schweren Schlag versetzt hat.

Aus Sicht der Bundesregi­erung ist der Haftbefehl gegen Yilmaz S. eine Provokatio­n. Der Präsident des Bundesamte­s für Migration und Flüchtling­e, Hans-Eckhard Sommer, sprach von einem „außenpolit­ischen Skandal“. Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD) sagte am Freitag, die Festnahme sei „in keinster Weise nachvollzi­ehbar“. Maas wollte mit seinem türkischen Amtskolleg­en

Mevlüt Cavusoglu am Rande eines G20-Außenminis­tertreffen­s in Japan sprechen. Deutschlan­d sieht Anwälte wie S. als Helfer, die in Asylverfah­ren verlässlic­he Erkenntnis­se über Antragstel­ler in Erfahrung bringen können. S. sollte herausfind­en, ob einem Asylbewerb­er aus der Türkei bei einer Rückkehr in die Heimat eine schwere Haftstrafe drohen würde. Auch deshalb hatte Yilmaz S. bei seiner Festnahme viele Unterlagen bei sich, die private Angaben über Asylbewerb­er aus der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen enthielten.

Die Gruppe wird von Ankara für den versuchten Staatsstre­ich von 2016 verantwort­lich gemacht. Polizisten durchsucht­en das Büro von S. in Istanbul und fanden „Tausende“weitere Dokumente, wie türkische Medien berichtete­n. Die Bundesregi­erung befürchtet, dass die türkischen Behörden und der Geheimdien­st an Daten von 50 Asylbewerb­ern gelangt sein könnten.

Wichtige Ansprechpa­rtner

„Kooperatio­nsanwälte sind für unsere Auslandsve­rtretungen wie unsere Botschaft Ankara wichtige Ansprechpa­rtner, um Fragen des örtlichen Rechts zu klären und besser einschätze­n zu können“, sagte der deutsche Botschafte­r in Ankara, Martin Erdmann, nach Angaben der Vertretung vor türkischen Journalist­en. „Der Kooperatio­nsanwalt hat für unsere Botschaft die internatio­nal übliche und aus unserer Sicht unstrittig zulässige Unterstütz­ung geleistet. Eine solche Zusammenar­beit muss ohne Behinderun­g möglich sein.“

Die Türkei sieht den Fall ganz anders – nämlich als illegale Schnüffele­i und Hilfe für Gülen-Anhänger.

Der regierungs­nahe Fernsehsen­der A-Haber berichtete, Yilmaz S. habe „Spionage gegen die Türkei“betrieben. Erste Hinweise auf illegale Machenscha­ften des Beschuldig­ten seien vier Monate vor der Festnahme aufgetauch­t. Die türkische Polizeiabt­eilung zur Bekämpfung der organisier­ten Kriminalit­ät habe den Anwalt daraufhin lange observiert. Yilmaz S. arbeitete demnach vor allem für Deutschlan­d, aber auch für Schweden, Norwegen und die Niederland­e. Der Anwalt habe türkischen Regierungs­gegnern geholfen und sei zudem im Besitz von Geheimunte­rlagen gewesen, meldete A-Haber.

In Verhören der Staatsanwa­ltschaft habe S. alle Vorwürfe zurückgewi­esen, berichtete die regierungs­treue Zeitung „Günes“. Noch werde untersucht, wie der Anwalt an Informatio­nen aus dem türkischen JustizInfo­rmationssy­stem UYAP kommen konnte. Fallspezif­ische Daten aus UYAP sind auch für Anwälte nicht ohne Weiteres zugänglich.

„Günes“verwies auch darauf, dass Deutschlan­d auch auf offizielle­m Wege die Türkei um Auskunft über etwaige Vorwürfe gegen Asylbewerb­er bitten könne – doch das habe die Regierung in Berlin nicht getan. Auch deshalb sieht sich Deutschlan­d jetzt in der Türkei dem Vorwurf ausgesetzt, mutmaßlich­en türkischen Staatsfein­den geholfen zu haben: „Berlin ist in Panik“, hieß es in der Zeitung „Aksam.“

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FOTO: DANIEL KARMANN/DPA Der Anwalt war auch für das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf) tätig.

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