Gewonnen, aber nicht gesiegt
Mut hat sie. Viel Mut sogar. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat hoch gepokert, als sie in ihrer über einstündigen Rede dem Parteitag ihren Weg für Deutschland erklärte und dann die Machtfrage stellte. Mit diesem dramatischen Schritt hat sie gewonnen, aber noch nicht gesiegt.
Ein Parteitag kann nicht alles ändern. Die Frage der Kanzlerkandidatur bei der CDU wird wohl erst im nächsten Herbst geklärt. KrampKarrenbauers Kritiker rudern zwar sehr zurück, doch zum jetzigen Zeitpunkt kann sich die Parteichefin trotzdem nicht sicher sein. Denn auch Friedrich Merz hat sich erstaunlich gut geschlagen und viele Delegierte überzeugt.
Kanzlerin Angela Merkel rückte dagegen völlig in den Hintergrund. Auch wenn kurz daran erinnert wurde, dass sie auf den Tag genau 14 Jahre im Amt ist, blieb die Zustimmung eher mau. Es wurde deutlich, dass sich die Partei längst auf einen Neuanfang vorbereitet. Dass sie die Politik des vorsichtigen Abwartens und Aussitzens, aber auch die vielen Kompromisse mit der Sozialdemokratie leid ist. Die Partei ist verunsichert und angesichts der Umfragen verängstigt. Es gibt den Wunsch, dass die CDU wieder den Takt vorgibt. Doch ist Annegret Kramp-Karrenbauer dazu die Richtige?
Die Reihen in Leipzig haben sich geschlossen, denn bei den Delegierten und Mitgliedern ist es angekommen, dass Streit in den eigenen Reihen das Vertrauen weiter schmälert. Kramp-Karrenbauer hat in ihrer Rede alle wichtigen Politikfelder angesprochen, aber bis auf wenige klare Ansagen wie bei der Grundrente wieder viele Fragen gestellt und Pläne skizziert. Sie hat Zuhörtouren absolviert, aber eben noch keine Ergebnisse präsentiert. Das wird sie nicht mehr lange tun können, die Ungeduld, dass jetzt auch geliefert wird, ist spürbar. Der Wunsch, dass klare Forderungen auf den Tisch kommen.
Annegret Kramp-Karrenbauer hat ihren Vorsitz in Leipzig ins Jahr 2020 gerettet. Aber die Partei sehnt sich nach Führung, nach Erneuerung. Wenn Kramp-Karrenbauer dies weiterhin nicht schafft, ist auch sie bald Geschichte. Denn die Machtfrage kann man nur einmal stellen.