Harte Urteile heizen Katalonien-Konflikt an
Gericht schickt mehrere Politiker nach irregulärem Referendum hinter Gitter – Verletzte bei Protesten
MADRID - Hartes Urteil im „Jahrhundertprozess“gegen katalanische Politiker und Separatistenführer: Spaniens Oberster Gerichtshof hat lange Haftstrafen gegen neun Angeklagte verhängt, die für die illegalen Unabhängigkeitsschritte Kataloniens vor zwei Jahren verantwortlich gemacht wurden. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: Schon kurz nach dem Urteil gingen Zehntausende Unabhängigkeitsbefürworter in der spanischen Region Katalonien auf die Straßen und forderten die Freilassung der Verurteilten. Demonstranten blockierten Straßen und Bahnstrecken. Bis zum Abend wurden Medienberichten zufolge 30 Menschen bei Zusammenstößen mit der Polizei verletzt, als sie versuchten, Teile des Flughafens von Barcelona lahmzulegen.
Am Morgen hatten die Richter nach monatelangen Beratungen ihre Entscheidung verkündet: Neun katalanische Politiker erhielten Haftstrafen zwischen neun und dreizehn Jahren; drei weitere Beschuldigte erhielten Geldstrafen und ein politisches Betätigungsverbot.
Die höchste Strafe, 13 Jahre Gefängnis, erhielt der frühere katalanische Vize-Regierungschef Oriol Junqueras. Der Chef der Partei Esquerra Republicana, der seit zwei Jahren in U-Haft sitzt, gab sich unbeirrt. „Es gibt keine andere Möglichkeit, als einen neuen Staat zu konstruieren“, ermunterte er seine Anhänger, weiter für die Unabhängigkeit zu kämpfen.
Den Verurteilten wurde angelastet, trotz eines Verbots des spanischen Verfassungsgerichts die Unabhängigkeitsabstimmung im Herbst 2017 organisiert zu haben. Zudem sahen es die Richter als erwiesen an, dass die Separatisten ihre Anhänger am Referendumstag dazu aufgerufen hatten, das Abstimmungsverbot zu ignorieren und sich der anrückenden Polizei entgegenzustellen – was die Richter als Organisation eines „öffentlichen Aufstandes“werteten.
Die Separatisten sehen sich als Opfer eines „politischen Schauprozesses“. Die Richter und Spaniens sozialistischer Regierungschef Pedro Sánchez wiesen den Vorwurf zurück: „Das war ein transparentes Verfahren mit allen Rechtsgarantien“, sagte Sánchez. In Spanien gebe es weder politische Verfolgung noch politische Häftlinge. „Aber es sitzen einige Politiker im Gefängnis, weil sie gegen unsere demokratischen Gesetze verstießen.“
Carles Puigdemont, der immer noch bekannteste Kopf der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung, saß nicht auf der Anklagebank. Er wird zwar ebenfalls von Spaniens Justiz beschuldigt, war aber nach Beginn der Ermittlungen nach Belgien geflohen. Kurz nach der Verkündung der Urteile schickte der Oberste Gerichtshof in Madrid einen internationalen Haftbefehl an die belgischen Behörden. Der erste Versuch, eine Auslieferung zu erwirken, war vor zwei Jahren gescheitert.