Rustikal in bevorzugter Lage
Über Themen, die im weiteren Sinne zum Spektrum der Immobilien gehören, können immer weniger Menschen lachen. Die Mietpreisbremse hat sich gleich in mehrerlei Hinsicht zur Spaßbremse für all jene entwickelt, die mit dem Schicksal geschlagen sind, eine neue Unterkunft suchen zu müssen.
Der mit Sektkorken knallenden Wohnwirtschaft kann das natürlich die Laune nicht verderben. Und wie viele andere Branchen auch, hat der Immobiliensektor seine eigene Sprache entwickelt, mit deren Hilfe er versucht, auch mangelhafte Objekte an den Mann zu bringen. Wird in einer Anzeige etwa mit dem harmlosen Adjektiv „gemütlich“geworben, so kann der Interessent von einer Architektur mit Platzangst fördernder Beengtheit ausgehen. „Rustikal“indes steht für mehr oder weniger ausgeprägte Abbruchreife. Finden sich im Text irgendwo die Begriffe „hell“und „freundlich“, verfügt das Objekt immerhin über ein oder mehrere Fenster. Vorsicht geboten ist, wenn der Anbieter von einer „geselligen Nachbarschaft“spricht. Dann befindet sich die Wohnung zumeist oberhalb einer gut besuchten Gaststätte mit Kegelbahn oder im Erweiterungsbau einer Diskothek.
Grundsätzlich steht in fast jeder Anzeige etwas von „bevorzugter Lage“. Damit ist aber nichts weiter gemeint, als dass sich das Haus noch auf dem Planeten Erde befindet – denn wo im Universum könnte es bevorzugter, rustikaler oder gemütlicher sein? Experten befürchten wegen der Wohnungsnot indes soziale Verwerfungen. Viele Menschen überlegen sogar, sich das Wohnen komplett abzugewöhnen. (nyf)