Wende im Atomstreit
Nordkoreas Diktator Kim verkündet Verzicht auf Tests
SEOUL (AFP) - Nach Jahren der Drohgebärden geht Nordkorea mit einem vorläufigen Verzicht auf Atom- und Raketentests in die historischen Gespräche mit Südkorea und den USA. Das überraschende Moratorium sowie die Schließung des Testgeländes in Punggye Ri wurden von Politikern weltweit mit Erleichterung aufgenommen, Experten warnten allerdings vor allzu großem Optimismus, da Machthaber Kim Jong-un keine Bereitschaft zu einem Verzicht auf Atomwaffen angedeutet habe. Die Ankündigung erfolgte kurz vor dem Gipfel Kims mit Moon Jaein, dem Präsidenten Südkoreas, am Freitag. Ende Mai soll Kim auch USPräsident Donald Trump treffen.
Trump nannte die Ankündigung bei Twitter eine „sehr gute Nachricht für Nordkorea und die Welt“. Moons Sprecherin sagte, die Entscheidung sei ein „bedeutender Fortschritt für die nukleare Abrüstung der koreanischen Halbinsel“.
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SEOUL - Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un hat feierlich einen umfassenden Stopp aller Atom- und Raketentests verkündet – sofort. Ein geschickter Schachzug, denn der Diktator verspricht damit eigentlich nur, was er bereits vor Wochen schon einmal zugesagt hatte. Und: Die Sphinx von Pjöngjang teilt so ganz nebenbei der Welt mit, dass Nordkorea längst eine Atommacht ist, an deren Status eigentlich nichts mehr zu ändern ist. Es sei denn, das noch immer altstalinistische Regime würde in Wort und Tat nicht nur auf weitere Tests, sondern expressis verbis überhaupt auf den Besitz oder gar Einsatz nuklearer Waffen und Raketen verzichten.
Aber davon steht kein Wort in der Entscheidung des Zentralkomitees der Regierungspartei, die von der Staatsagentur KCNA verbreitet wurde. Im Propagandastil ist darin die Rede von einem „bedeutenden Prozess für die weltweite Abrüstung“sowie den „internationalen Wünschen, Atomtests komplett einzustellen“. Auch lässt die Partei versprechen, den Lebensstandard ihrer Menschen „bedeutend zu heben, in dem alle menschlichen und materiellen Ressourcen des Landes mobilisiert werden“. Im Klartext heißt das, die gigantische Geldverschwendung für die Atomrüstung hat die einfachen Leute extrem belastet.
Beachtenswert ist auch, dass Kim sein Moratorium unter anderem damit begründete, die Entwicklung von Atomwaffen und die Technik, Atomsprengköpfe auf ballistische Raketen zu montieren, sei erfolgreich abgeschlossen. Damit wären weitere Tests gar nicht nötig, jubelte die KCNA. Und in der Erklärung wird nur ein Teststopp für ballistische Langstreckenraketen erwähnt, nicht aber ein Ende der Versuche mit Kurz- und Mittelstreckenraketen, in deren Reichweite sich Südkorea und Japan befinden.
Trump reagiert auf Twitter
Politisch ist die Willenserklärung des Kim-Regimes kurz vor dem interkoreanischen Gipfel am Freitag in Panmunjom bei allen Einschränkungen von großer Bedeutung. US-Präsident Donald Trump reagierte deshalb umgehend auf Twitter: „Das ist eine sehr gute Nachricht für Nordkorea und die Welt. Südkoreas Präsidialamt nannte die Ankündigung des Nordens einen „bedeutenden Fortschritt auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien koreanischen Halbinsel“. Nur Japan zeigte sich bisher eher skeptisch. Premierminister Shinzo Abe will erst genau beobachten, ob dieser Schritt auch wirklich „zur verifizierbaren und unwiderruflichen Zerstörung der Bestände von Atomwaffen führt“.
In der Tat muss man Kim Jong-un nun international beim Wort nehmen. Zum Beispiel mit seiner Aussage vor dem Zentralkomitee „unsere Republik wird sich der globalen Anstrengung anschließen, Nukleartests komplett einzustellen“. Bisher ist Nordkorea dem Atomwaffensperrvertrag fern geblieben und der junge Diktator hat auch jetzt nicht versprochen, überhaupt auf Atomwaffen zu verzichten, was Südkoreas Präsident Moon Jae-in als Ziel des Panmunjomgipfels formuliert hat.
Unklar ist auch, was Nordkorea unter dem Begriff Denuklearisierung verstehen will. Bisher hatte Pjöngjang auch die Aufgabe des nuklearen Schutzschildes der Vereinigten Staaten über Südkorea gefordert. Experten vom Asan Institut in Seoul vermuten, dass Kim Sicherheitsgarantien verlangen werde, was zunächst auf eine Verkleinerung oder auch taktische Umstrukturierung der Militärpräsenz hinauslaufen könnte. Das aber wäre keine signifikante Veränderung der bisherigen Position des Kim-Regimes.
Letzter Test im Novermber 2017
Und so richtig neu ist das Moratorium auch nicht. Ähnliches hatte Kim Jong-un schon vor Beginn der Olympischen Winterspiele in diesem Winter verkündet. Und faktisch wirkt der Teststopp sogar schon länger. In den vergangenen fünf Monaten hatte das Regime weder Atomsprengsätze noch Raketen getestet. Der letzte Start einer Langstreckenrakete erfolgte am 29. November 2017. Von diesem Abschuss wird angenommen, dass er theoretisch auch die Ostküste der Vereinigten Staaten hätte erreichen können.
Und zu guter Letzt könnte sich auch die Ankündigung, das Testgelände im Nordosten zu schließen, als kleine Finte erweisen. Fachleute glauben, dass die sechs dort abgehaltenen Atomexplosionen die Stabilität der umliegenden Berge zu stark erschüttert hatten. Schon beim bisher letzten Test soll ein Stollen eingestürzt sein und rund 200 Menschen begraben haben.