Wider die Falschberatung
Mit dem Jahreswechsel gelten neue Regeln für den Verbraucherschutz bei Geldanlagen – Bankenverband kritisiert Kosten
BERLIN - Neues Jahr, neue Regeln, genauer: neue Regeln für die Beratung zu einer Geldanlage. Damit sollen Verbraucher wirksamer vor Falschberatung geschützt werden. Die neue Richtlinie trägt den etwas sperrigen Namen „Markets in Financial Instruments Directive“und wird kurz Mifid II genannt. Sie ersetzt ihren Vorgänger. Beide beinhalten Lehren aus der großen Finanzkrise nach der Pleite von Lehman Brothers.
Transparenz und bessere Beratung bei Finanzprodukten – das ist das Ziel der neuen europäischen Richtlinie Mifid II. Sie soll Verbraucher vor Falschberatung schützen. Eine der wichtigsten Neuerungen: Telefonische Beratungsgespräche müssen Banken aufzeichnen. Und diese Tondokumente dann fünf Jahre archivieren. Das soll Kunden helfen, die sich falsch beraten fühlen und deswegen vor Gericht ziehen wollen. „Die Transparenz ist insbesondere bei den Kosten ein wichtiges Thema, da begrüße ich die neuen Regelungen extrem“sagt der Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, Klaus Nieding. „Denn die Kosten wurden bislang oft verschwiegen und konnten auch vertuscht und versteckt werden. Das scheint mir jetzt mit Mifid II besser zu werden.“
Dennoch müsse man erst sehen, wie sich das Regelwerk in der Praxis bewährt. Banken und Finanzdienstleister beklagen dagegen, dass sie für diese neuen Regelungen viel Geld investieren müssen. So spricht die Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin im Zusammenhang mit Mifid II denn auch von einer „großen Herausforderung für die Marktteilnehmer“. Der Deutsche Bankenverband rechnet mit Kosten von rund einer Milliarde Euro durch die neuen Dokumentationspflichten. Das sieht Klaus Nieding allerdings etwas anders. „Da werden Krokodilstränen verdrückt. Die Kosten bleiben ja nicht bei der Bank, sie werden an die Kunden weitergegeben.“
Pflichten zur Dokumentation gab es übrigens auch vorher schon. So müssen seit dem Jahr 2010 Geldinstitute Beratungsgespräche zu Wertpapieren dokumentieren. Diese Protokolle allerdings waren oft vage gehalten, sie konnten mehr oder weniger genau ausfallen. Es mangelte mitunter also an Transparenz und verpflichtenden Vorgaben. Stattdessen sollen nun sogenannte „Geeignetheitserklärungen“verfasst werden. Sie sollen festhalten, warum bestimmte Produkte für bestimmte Menschen oder Anleger geeignet sind – abhängig von deren Risikoprofil. Auch die Kosten für Finanzprodukte sollen dem Kunden transparenter gemacht werden.
Die Produktkosten sind die eine Seite der Medaille. Sie sind sozusagen die Gebühr, die man für eine Geldanlage an die Bank bezahlt. Die Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin streicht zudem heraus, dass Mifid II auch die Produkte selbst verbessern könne. Denn Banken und Finanzdienstleister müssen nach der neuen Vorgabe schon beim Entwurf einer möglichen Geldanlage bestimmen, welcher Zielmarkt für ihr Produkt geeignet ist. Der Kundenkreis muss bei der Herstellung von Finanzprodukten also umschrieben werden. Das ist nachvollziehbar, denn es kann in der Tat ein Unterschied sein, ob eine Geldanlage für professionelle Investoren an internationalen Finanzmärkten konzipiert ist oder für Kleinsparer, die etwa ihre Altersrente aufpeppen wollen. Sven Giegold, Europaparlamentarier der Grünen, hat an Mifid II mitgearbeitet. Er findet die Richtlinie auch unter diesem Aspekt einen Schritt in die richtige Richtung. „Natürlich gibt es viele Produkte, bei denen man sich fragen kann, ob die überhaupt für irgendjemanden geeignet sind. Mifid II könnte dazu führen, dass überteuerte, ineffiziente Produkte vom Markt verschwinden. Das wäre eine gute Entwicklung.“
Offene Schlupflöcher
Doch auch die neuen Regelungen lassen Schlupflöcher offen, Anleger und Bankkunden müssen also nach wie vor wachsam sein. Und sich im Zweifel überlegen, ob sie für eine Beratung nicht auch Geld bezahlen wollen. Denn Bankberater vertreten im Zweifel das Interesse ihrer Geldhäuser. Viele Sparer haben das nach der Pleite von Lehman Brothers schmerzlich erleben müssen, als sich Lehman-Zertifikate quasi über Nacht in Luft aufgelöst hatten. Und schließlich gibt Mifid II auch den Aufsichtsbehörden ein Instrument in die Hand, den Vertrieb und den Verkauf von aus ihrer Sicht zu riskanten Finanzprodukten einzuschränken oder zu verbieten. Auch das ist eine späte Lehre aus dem Kollaps des amerikanischen Hypothekenmarktes in Folge der Lehman-Pleite.