Freund der Fußgänger und Fahrradfahrer
Der Volvo V40 T5 setzt auf Sicherheit – Edler Kraftprotz mit ein paar Schönheitsfehlern
Darf’s ein bisschen mehr sein?“Wir erinnern uns, dass die Wurstfachverkäuferin unseres Vertrauens erst vor wenigen Tagen diese Frage gestellt hat. Aber Volvo? Nein, davon war bestimmt nicht die Rede, als wir den V40 zur Testfahrt gebeten haben. Und doch steht er jetzt da als T5, der normalerweise über 245 muntere Pferde gebietet – wenn ihm denn nicht die Polestar Leistungsoptimierung acht weitere Gäule spendiert hätte. Puh, ganz schön viel Holz für ein Automobil, das sich selbst in der PremiumKompaktklasse verortet und beispielsweise dem Audi A3 Paroli bieten will. Ein bisschen weniger, werte Schweden unter chinesischer Führung, hätte es gewiss auch getan. Denn auch ohne den Kraftprotz rauszuhängen, ist der V40 ein sehr, sehr hübscher Zeitgenosse im Straßenbild geworden – mit einem üppigen Preis und einigen kleinen, dennoch ärgerlichen Schönheitsfehlern. Doch dazu später mehr.
Loben wir zunächst lieber das Mehr an Sicherheit, das der spritzige Kompakte – auch dank eines wahren Heers an Helferlein – verspricht. Voll-LED-Scheinwerfer mit dynamischem Kurvenlicht nebst Fernlichtassistent, der Cross Traffic Alert, der beim Ausparken vor Querverkehr warnt, aktiver Spurhalte-, Totwinkelund intelligenter Einparkassistent sowie die Verkehrszeichenerkennung – allesamt keine revolutionären Innovationen, in der gebündelten Form aber durchaus meist sehr nützlich. Üppiges Sicherheitspaket, überzeugendes Design, edle Materialien, gute Verarbeitung, bequeme Sitze
Besonders angetan aber hat es uns der Notbremsassistent, der automatisch Fußgänger und Fahrradfahrer identifiziert und ganz allein die Vollbremsung einleiten kann. Für den Fall der Fälle ist zudem mit dem Fußgänger-Airbag vorgesorgt: Platziert zwischen Motorhaube und Windschutzscheibe, breitet er sich U-förmig aus und deckt dabei das untere Drittel der Windschutzscheibe sowie einen großen Teil der A-Säulen ab. Verspricht zumindest der Hersteller. Wir haben es, Ihr Verständnis voraussetzend, nicht ausprobiert.
Selbstverständlich haben wir dabei zuallererst an Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer gedacht, deren Einverständnis wir bedauerlicherweise zuvor nicht einholen konnten. Ein ganz kleines bisschen – wir geben es unumwunden zu – hätte es uns aber auch leidgetan um das außergewöhnlich schöne Design des im Modelljahr 2017 facegelifteten V40. Der neu gestaltete Kühlergrill, die Tagfahrleuchten in der „Thors Hammer“-Optik, die Volvo-Spezialisten bereits aus dem XC90 kennen, schwarze Applikationen an den Fenstern, die überdurchschnittlich große Frontscheibe sowie die Vielzahl an Falzen im Blech verleihen dem langgestreckten, sich flach in den Wind duckenden Schweden ein ganz eigenes, sehr markantes Gesicht. Ein Hingucker im grauen Einerlei auf unseren Straßen.
Lediglich beim Thema Kofferraum versinkt der V40 eher im Mittelmaß. 335 Liter Ladevolumen erscheinen bei einem Kompakten auf dem Sprung in die Mittelklasse dürftig. Wenigstens entsteht nach dem Umklappen der Rücksitze eine ebene Fläche, die allerdings nur halbwegs bequem – wegen einer viel zu hohen Ladekante – mit Koffern und Kisten bestückt werden kann. Das demonstrieren einige Konkurrenten wesentlich besser. Durchschnittlicher Kofferraum mit zu hoher Ladekante, schlechte Sicht nach hinten, Assistenten mit Mängeln
Was wir vom Innenraum keineswegs behaupten wollen. Das Gestühl über jeden Zweifel erhaben und gewiss für eine Reise um die Welt geeignet, edle, perfekt verarbeitete Materialien statt billigem Hartplastik, ausreichend Platz für vier Erwachsene, die gern auch größer als 1,80 Meter sein dürfen, dazu ein übersichtliches Cockpit, in dem sich der Fahrer rasch zurechtfindet – nichts anderes haben wir in einem Volvo vermutet. Dass die Rundumsicht unter den kleinen Heckfenstern und den breiten B-Säulen leidet – geschenkt. Wozu gibt es schließlich Rückfahrkameras?
Und, Hand aufs Herz: Wer will mit diesem Benzinmotor tatsächlich rückwärts fahren? Durchzug, sportlich-straffe Federung, feine Kurvenlage sowie die präzise, verstellbare, Rückmeldung gebende Lenkung lassen keine Wünsche offen. Selbst der Durchschnittsverbrauch hält sich mit 7,2 Litern im Test – angesichts von 253 PS – in Grenzen. Sparsame Schwaben drücken diesen im Eco+Modus sogar auf 6,6 Liter – wenn sie den dann etwas brummeligen Motor ertragen können. Dennoch: Bei allem Fahrspaß rollt der V40 T5 mit seinen knapp 1,6 Tonnen leicht übermotorisiert daher. Ein paar Pferdchen weniger täten dem Vergnügen wahrscheinlich keinen Abbruch. Zumindest die Polestar Leistungsoptimierung (1199 Euro) hätte nun wirklich nicht sein müssen.
Liebend gern verzichtet hätten wir übrigens auch auf die sogenannte Easy-Entry-Funktion: Diese soll die Türen allein durch Berühren des Griffs entriegeln. Klappt mit unschöner Regelmäßigkeit in einer so affenartigen Geschwindigkeit, dass die Türen sofort wieder verriegeln. Wir jedenfalls haben rasch wieder zum guten, alten Funkschlüssel gegriffen. Und wenn wir gerade schon beim Mäkeln sind: Ein Kollisionswarner, der hypernervös auf abbiegende Vorausfahrende reagiert, reizt zum Abschalten – und verfehlt damit eindeutig sein Ziel. Eine Verkehrszeichenerkennung darf durchaus auch zuverlässig auf Zusätze („Bei Nässe“) hinweisen, wenn sie ernst genommen werden will. Und eine fehleranfällige Sprachsteuerung gilt ebenfalls nicht jedem als vergnügungssteuerpflichtig. An diesen Stellen hätte es nun doch ein bisschen mehr sein dürfen.