Österreichs Pläne für Südtirol lösen in Italien Sturm der Entrüstung aus
Neue Regierung in Wien will Doppelpass ermöglichen – Rom droht mit einem internationalen Verfahren
ROM - 350 000 Südtiroler könnten bald Österreicher werden. Wahrscheinlich schon im kommenden Jahr, spätestens aber 2019. Erklärt hat dies Werner Neubauer, in der österreichischen Regierungspartei FPÖ verantwortlich für die Beziehungen seines Landes zu Südtirol, zu jener norditalienischen autonomen Region Alto-Adige/Südtirol, in der der deutschsprachige Bevölkerungsanteil die Mehrheit stellt.
Neubauer sagte auch, dass jeder Südtiroler, der nachweisen könne, aus einer deutschsprachigen Familie zu stammen, gratis die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten werde. Eine Regierungskommission in Wien werde die genauen Bestimmungen für einen Antrag auf eine zweite Staatsbürgerschaft für Südtiroler in den kommenden Monaten festlegen. Der FPÖ-Politiker berichtete ebenfalls, dass es seine Regierung deutschsprachigen Südtirolern ermöglichen wolle, den Wehrdienst in Österreich zu absolvieren. Deutschsprachige Südtiroler könnten auch die Möglichkeit erhalten, so Neubauer, unter österreichischer Flagge an Olympischen Spielen teilzunehmen.
Meloni schlägt Barrikaden vor
Die Äußerungen Neubauers schlugen in Rom wie eine Bombe ein. Die erste, die darauf reagierte, war Giorgia Meloni. Die Chefin der rechten Partei Fratelli d’Italia erklärte Montagabend, dass sie dafür sorgen werde, dass „an der Grenze zu Österreich Barrikaden errichtet werden, um denen in Wien klar zu machen, wer in Südtirol das Sagen hat“. „Hände weg von Italien und von unserem Südtirol!“, so Meloni. Er erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass die Südtiroler Autonomie der Regierung in Rom Milliarden Euro koste, „und jetzt pfeift Österreich auf die 1992 vertraglich besiegelte Streitbeilegung und lockt Südtiroler mit einem Doppelpass“.
Der italienische Vizeaußenminister Mario Giro meinte, dass „das doch nur Worte seien“. Außenminister Angelino Alfano fügte hinzu, dass „das Thema Südtirol ein delikates Thema ist“. Die Regierung in Rom behandle alle Bevölkerungsanteile in Südtirol gleich.
Aus dem Umfeld von Regierungschef Paolo Gentiloni wurde bekannt, dass man auf die Äußerungen Neubauers erst reagieren werde, wenn den Worten Taten folgen. Sollte Österreich versuchen, bilaterale Verträge, die den Status der deutschsprachigen Südtiroler regeln, außer Kraft zu setzen, werde man ein internationales Verfahren anstreben, verlautet aus der Regierung in Rom.
Die Ankündigungen Neubauers werden vor allem in der politisch autonomen Region Südtirol heftig diskutiert. Auf einer parteiübergreifenden Pressekonferenz in Bozen erklärten sich Politiker der Süd-Tiroler Freiheit, der Freiheitlichen, der Südtiroler Volkspartei und des Südtiroler Heimatbundes „hoch erfreut über die Verankerung der Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler im österreichischen Koalitionsvertrag“.
Italiens rechte Parteien, auch Silvio Berlusconis Forza Italia, fordern Staatschef Sergio Mattarella auf, die österreichischen Pläne bezüglich Südtirols zu stoppen. Kritisch äußert sich auch Antonio Tajani. Der italienische EU-Parlamentspräsident warnt Italien vor Vertragsbrüchen. So etwas, erklärte Tajani, sei ein „willkürlicher Akt“, der unnötige Spannungen erzeugen würde. „Europa hat zwar viele Fehler“, so Tajani, „aber es hat die unselige Ära des Nationalismus abgeschlossen“.