Strategie ins Chaos
Insolvenzverwalter wirft Schlecker unternehmerische Fehler vor, erkennt aber keinen Betrug
STUTTGART - Mit dem Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz hat am Montag einer der wichtigsten Zeugen im Schlecker-Prozess ausgesagt. Der ehemalige Drogeriemarkt-König Anton Schlecker muss sich seit März vor dem Stuttgarter Landgericht wegen Insolvenzverschleppung verantworten. Außerdem soll er laut Anklage 25 Millionen Euro beiseite geschafft haben – weshalb er wegen Betrugs und seine Kinder Lars und Meike wegen Beihilfe angeklagt sind. Geiwitz stützte Schleckers Sicht, dass er bis zum Schluss nicht an ein Ende seiner Drogeriemarktkette geglaubt habe. „Wir hatten eine gewisse Euphorie, dass wir was hinkriegen“, sagte Geiwitz.
Während seiner vierstündigen Aussage bot der renommierte Insolvenzverwalter Einblicke in die turbulente Zeit, nachdem Anton Schlecker im Januar 2012 Insolvenzantrag gestellt hatte – und ins unternehmerische Denken des Firmengründers. Geiwitz bezeichnete Schleckers Unternehmensführung als sparsam. So sparsam, dass er fast keine Einsparpotenziale finden konnte. Telefone in den rund 6000 Filialen in Deutschland fehlten, die Kommunikation lief über Fax – weshalb die Mitarbeiter meist schneller über die Medien als von der Konzernspitze über aktuelle Entwicklungen im Insolvenzverfahren informiert wurden. Anton Schlecker bescheinigte er dabei „eine Mischung aus Naivität und Beratungsresistenz. Er hat nie an die Insolvenz seines Unternehmens geglaubt, bis zum Schluss nicht.“
Laut Geiwitz gerieten die Schlecker-Märkte wegen der wachsenden Konkurrenz, allen voran DM, in die Krise. Gegen die deutlich attraktiveren Filialen des Wettbewerbers hätten die relativ kleinen Schlecker-Läden, in denen Mütter mit ihrem Kinderwagen kaum um die Ecken kamen, nicht mehr konkurrieren können. „Es gab schon immer bei Schlecker unprofitable Filialen, aber nun kamen auch die profitablen unter Druck – dadurch gab es die Spirale nach unten“, so Geiwitz.
Zu lange habe Anton Schlecker dabei auf das Prinzip gesetzt, das ihm Europas größte Drogerie-Kette bescherte: immer weiter wachsen, um dadurch bei den Händlern günstiger einkaufen zu können und so den Kunden günstigere Preise zu bieten. „Dieser Blickwinkel war zu einkaufsorientiert und zu wenig kundenorientiert.“
Nicht beherzt genug umstrukturiert
Doch Geiwitz stellte ein Konzept vor, wie es mit dem Schlecker-Konzern hätte weitergehen sollen. Den Anstoß, den die Beratungsfirma Wieselhuber und Partner mit ihrem „Fit for Future“-Programm einige Jahre zuvor gegeben habe, sei nicht schlecht gewesen: unprofitable Läden schließen und die verbliebenen attraktiv umbauen. Aber: „Das WieselhuberKonzept ging nicht weit genug“, sagte Geiwitz und fügte hinzu: „Es hätte dem Unternehmen gutgetan, wenn man das beherzt früher gemacht hätte.“
Sein Ziel für die Zukunft des Unternehmens sah anders aus: Geiwitz hatte eine Art Tankstellenkonzept im Sinn – ein Nahversorger, der aufgrund der Nähe ruhig etwas teurer sein darf, dafür aber alles biete von Lebensmitteln bis Paketannahme. Als Blaupause diente ihm dafür die Nahversorger-Kette „7-Eleven“aus den USA. Die Idee sei auf großes Interesse gestoßen, vor allem bei Investoren aus dem Ausland. Die Interessenten reichten von einer US-amerikanischen Investment-Bank, über einen arabischen Staatsfonds bis hin zu einem osteuropäischen Investor, der sein dortiges Einzelhandel-Konzept in Deutschland etablieren wollte. Nach und nach sprangen die Investoren ab. Geiwitz erklärte das unter anderem mit dem großen Medieninteresse, das Investoren abschreckte. „Es war ein Riesenfrust, als der Osteuropa-Fonds abgesagt hatte. Wir hatten gedacht, dass wir einen riesigen Überraschungscoup landen, auch in der Öffentlichkeit.“
Zum Vergleich, den der Insolvenzverwalter mit der Familie Schlecker getroffen hat, hakte Richter Roderich Martis hartnäckig nach. Geiwitz vereinbarte mit den Familienmitgliedern Rückzahlungen zur Insolvenzmasse in Höhe von insgesamt 10,1 Millionen Euro. Eigentlich hatten der Insolvenzverwalter und sein Team fragliche Zahlungen an Familienmitglieder in den Jahren vor und rund um die Insolvenz in Höhe von rund 20 Millionen Euro moniert. Bei je 3,5 Millionen Euro an die beiden Kinder sprach Geiwitz von einer „Kurzschlussreaktion, als klar war, dass es zu Ende ging“. Lars und Meike Schlecker haben die insgesamt sieben Millionen Euro zurückgezahlt. Zum gesamten Vorgang sagte Geiwitz: „Wir nehmen aus Erfahrung deutliche Abschläge in Kauf.“Die Alternative wären jahrelange und kostspielige Gerichtsprozesse, zudem wollten die Gläubiger schnell Geld und Rechtssicherheit.
Hoffnung für die Ex-Mitarbeiter
Für die 24 000 ehemaligen SchleckerMitarbeiter geht das Warten auf Zahlungen aus der Insolvenzmasse weiter. Geiwitz hatte eine Reihe von ExLieferanten auf Schadenersatz in Höhe von 300 Millionen Euro wegen Preisabsprachen verklagt. Ist er mit der Klage erfolgreich, werden die Mitarbeiter bedient.