„Nur mit Behandlung auf Intensivstation zu retten“
BERLIN - Der Marburger Bund sieht sich durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVG) in seinen Positionen bestätigt. Aus Sicht des Marburger Bundes sollte das Gesetz wieder abgeschafft werden, man müsse jetzt die Bundestagswahl abwarten, sagt der Vorsitzende der Ärztegewerkschaft, Rudolf Henke (Foto: dpa), im Gespräch mit Rasmus Buchsteiner.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Klagen gegen das umstrittene Tarifeinheitsgesetz abgewiesen. Eine empfindliche Niederlage für die kleinen Gewerkschaften?
Natürlich wäre es uns lieber gewesen, wenn das Gesetz für null und nichtig erklärt worden wäre. Das Bundesverfassungsgericht hat aber sehr deutlich gemacht, dass es zentrale Regelungen für unvereinbar mit dem Grundgesetz hält. Das Tarifeinheitsgesetz kann im Prinzip nur mit einer Behandlung auf der Intensivstation gerettet werden.
Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?
Das Gericht sagt, dass die Regelungen nur in der verfassungsmäßig gebotenen Auslegung mit Artikel 9, Absatz 3 des Grundgesetzes zu vereinbaren sind. Eine solche Auslegung wirkt wie ein Umschreiben des Gesetzes, um die Rechte aller Arbeitnehmer zu wahren. Der Dreh- und Angelpunkt ist, dass die Koalitionsfreiheit ausdrücklich allen Berufsgruppen garantiert werden muss. Der Gesetzgeber darf nicht gezielt gegen bestimmte Vereinigungen und Arbeitnehmergruppen vorgehen. Darum sehen wir uns durch das Urteil in unseren Positionen bestätigt.
Welche gesetzlichen Änderungen halten Sie für erforderlich?
Es muss klar sein, dass die Anliegen der Minderheit im Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft ausreichend berücksichtigt werden. Das ist natürlich so etwas wie die Quadratur des Kreises. Anhand welcher Kriterien sollen die Arbeitsgerichte das entscheiden? Das gibt ein großes juristisches Rätselraten. Das bedeutet für alle noch eine ganze Weile Rechtsunsicherheit.
Wie schnell rechnen Sie mit gesetzlichen Klarstellungen?
Auf die Entscheidung des Ersten Senats sind die Parteien nicht vorbereitet. In den Programmen steht dazu nichts. Man muss jetzt die Bundestagswahl abwarten. Aus unserer Sicht sollte das Gesetz wieder abgeschafft werden. Ich halte mich da ganz an Montesquieu und seinen berühmten Satz: „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.“