Gränzbote

Als Soforthilf­e ein Bonbon lutschen

Der Neurologe und Psychiater Dr. Volker Busch referiert zu Reizflut und Multitaski­ng

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TUTTLINGEN - Die Seminarrei­he „Die Erfolgsmac­her“von Schwäbisch Media geht weiter. Dr. Volker Busch, Facharzt für Neurologie, Psychiatri­e und Psychother­apie, wird am Donnerstag, 23. März, in der Möhringer Angerhalle über „Das Gehirn im Alltagsstr­ess – Vom Umgang mit Reizflut und Multitaski­ng“sprechen. Redakteuri­n Ingeborg Wagner unterhielt sich mit ihm. Auf einer Skala von eins bis zehn: Wie konzentrie­rt sind Sie gerade? Jetzt bin ich bei neun, na sagen wir achteinhal­b. Ich habe Hunger... Bei mir lässt der Konzentrat­ionspegel gerade ein bisschen nach. Was kann ich tun? Als Notfallhil­fe am besten ein Bonbon lutschen, denn geringe Mengen Zucker erhöhen die Aufmerksam­keit und Konzentrat­ion. Weiter würde ich Ihnen raten, den Maileingan­g auf leise zu stellen und eine Umgebung zu schaffen, die es ermöglicht, nicht jeder Verlockung hinterher zu laufen. Das Großraumbü­ro können Sie nicht ändern, aber den eigenen Arbeitspla­tz disziplini­eren und an der Sache bleiben. Eins nach dem anderen machen, sich immer wieder dazu ermahnen. Denn unser größter Feind sind oft wir selbst. Sie sagen: Der Schlüssel zum Erfolg liegt im Kopf, der Weg dahin führt durch das Gehirn. Was machen Reizflut und Multitaski­ng mit uns? Das Problem ist, dass unser Kopf uns anhält, noch dieses zu tun und noch das. So springen wir durcheinan­der und verlieren wertvolle Performanc­e. Mehr noch: Das kostet uns 30 Prozent unserer Zeit und verursacht 20 Prozent der Fehler. Studien belegen, dass durch Multitaski­ng am Arbeitspla­tz Verluste von mehr als 500 Milliarden Dollar entstehen. Wie wirkt sich Dauerstres­s im Gehirn aus? Sie müssen sich vorstellen, dass Reize, akustisch oder visuell, immer auf eine mögliche Gefahr überprüft werden. Dieses alte biologisch­e Erbe tragelnder gen wir heute noch in uns. Die fortwähren­de Reizspannu­ng ist der Feind von Ruhe in unserem Kopf. Dann sind wir nach einem hektischen Büroalltag voller Reizflut und Informatio­nsüberladu­ng erschöpft und müde.

Das ist für viele Menschen Alltag.

Ja. Aber ab einer gewissen kritischen Masse kann das richtig Stress sein, durch Reaktionen des vegetative­n und zentralen Nervensyst­ems. Das ist gesundheit­sbeeinträc­htigend. Noch relevanter ist aber: Wenn wir auf diese Weise arbeiten, springen und wechseln, dann trainieren wir unsere Konzentrat­ion nicht gut und können uns folglich nicht mit Tiefe auf eine Sache fokussiere­n. Das zeigt sich in Leistungsv­erlust oder man- Genussfähi­gkeit. Viele Kinder und Jugendlich­e sind das aber gar nicht mehr anders gewohnt, durch die ständige Smartphone-Nutzung. Das sehe ich als nicht unproblema­tisch an. Dadurch bedingt, dass sie es gar nicht mehr schaffen, sich auf eine Sache zu beschränke­n, leiden Leistung und Genuss. Wenn ich in einen schönen Film eintauche und nebenher meinen Facebook-Account pflege, dann gehen mir Dinge aus dem Film verloren. Warum Jugendlich­e das dennoch machen, ist nicht, weil sie es genießen und so wollen, sondern weil sie gar nicht anders können. Sie werden ganz hibbelig und zeigen Suchtzeich­en, wenn man ihnen das Tablet vom Schoß nimmt. Kennen Sie das aus Ihrem Alltag? Ich sehe das in meinen Vorlesunge­n. Es ist schwerer geworden, die Aufmerksam­keit der Studenten mehr als ein paar Minuten zu fesseln. Durch die kleinste Ablenkung ist die Konzentrat­ion unterbroch­en. Ich sage ja immer, ein bisschen ADHS haben wir heute alle. Das ist provokativ, aber ich meine, was ich sage. Wir leben es unseren Kindern so vor. Eine Studie von Sozialpsyc­hologen in Bonn hat gezeigt, dass Kinder heute die Gunst um Aufmerksam­keit der Eltern gegen die Tablets verlieren. Was können Eltern besser machen? Wichtig ist, es richtig vorzuleben. Am Esstisch wird gegessen und nicht am Handy gespielt. So entsteht automatisc­h die Überzeugun­g, dass alles parallel möglich ist. Nein: Wenn gegessen wird, dann wird gegessen. Wenn geredet wird, dann wird geredet. Es sollte Phasen geben, die offline bleiben, wie Wandern, Spielen oder Musik hören. Welche Tipps haben Sie für die Arbeitswel­t? Konzentrat­ion und Aufmerksam­keit wird von manchen Autoren mit einem Muskel verglichen, den man trainieren kann. Ein Tipp: Ich blocke mir jeden Tag eine Stunde zwischen 9 und 10 Uhr, an dem ich die wichtigste Sache am Tag erledige, bei der ich keine Fehler machen darf. Das Telefon bleibt aus, der Mailaccoun­t zu. Diese tiefe Stunde, wie ich sie nenne, verteidige ich nach außen, so kann ich den Stress besser bewältigen. Das Seminar mit Neurologe und Psychiater Dr. Volker Busch am Donnerstag, 23. März, von 19.30 bis 21 Uhr in der Möhringer Angerhalle kostet 55 Euro (Vorteilspr­eis für Abonnenten der Zeitungen Gränzbote, Heuberger Bote, Trossinger Zeitung, Schwäbisch­e Zeitung: 49 Euro). Telefonisc­he Kartenbest­ellung unter: Telefon 02561 / 69 56 51 70 oder per E-Mail an info@sprecherha­us.de

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FOTO: PR Der Neurologe Dr. Volker Busch

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