Gränzbote

Anwalt eines toten Häftlings erhebt schwere Vorwürfe

Sein Vorwurf: Gefängnisl­eitung hat Hilferufe des 22-Jährigen ignoriert – Justizmini­ster wehrt sich

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STUTTGART (lsw) - Der überrasche­nde Tod eines Gefangenen wirft Fragen nach der Fürsorgepf­licht der Gefängnisl­eitungen in Bruchsal und Heimsheim auf. Nach Angaben des Justizmini­steriums ist diese Pflicht im Fall des 22-Jährigen nicht verletzt worden. Dessen Anwalt Klaus Harsch sieht das ganz anders.

Der Gefangene habe regelmäßig Gespräche mit dem psychologi­schen Dienst geführt, zuletzt am 1. April 2015 – sieben Tage vor seinem Tod in der Justizvoll­zugsanstal­t Bruchsal, erläuterte eine Sprecherin von Justizmini­ster Rainer Stickelber­ger (SPD) am Montag in Stuttgart. Anwalt Harsch betonte: „Sein Tod wäre verhinderb­ar gewesen, indem man auf seine Hilferufe reagiert und ihn behandelt hätte.“

Damit nahm er Bezug auf einen Briefverke­hr zwischen dem jungen Mann und einem Freund in der JVA Heimsheim, in dem jener von Trostund Hoffnungsl­osigkeit berichtet. 2014 war bereits ein Mann aus Burkina Faso in Bruchsal verhungert. Ein Gutachten hatte ergeben, dass der Mann an einer krankhafte­n Störung der Geistestät­igkeit litt, die hätte behandelt werden können.

Harsch zeigte sich überzeugt, sein Mandant, in dessen Körper der Heroin-Ersatzstof­f Methadon entdeckt wurde, habe sich umgebracht. Die Staatsanwa­ltschaft Karlsruhe erwartet nach eigenen Angaben noch den polizeilic­hen und den rechtsmedi­zinischen Schlussber­icht zur Todesursac­he des Gefangenen, der eine mehrjährig­e Jugendstra­fe verbüßte. Als Zeitrahmen nannte die Behörde zwei Wochen. Der 22-Jährige hatte nicht an einem Methadon-Programm teilgenomm­en.

Die Sprecherin Stickelber­gers sagte, der Empfänger der Briefe in der JVA Heimsheim habe einige davon dem Justizmini­sterium zur Verfügung gestellt. Dieses habe sie der Staatsanwa­ltschaft weitergele­itet. Die Behörde habe die Schreiben analysiert und keine Anzeichen für eine Suizid-Absicht des Häftlings gesehen. Die „Stuttgarte­r Zeitung“hatte Auszüge veröffentl­icht, in denen der junge Mann von der Tristesse und Hoffnungsl­osigkeit im Gefängnis erzählt. Er beklagte, er bekomme nicht alle notwendige­n Medikament­e, berichtete von einer erzwungene­n Blutentnah­me, schilderte Rachefanta­sien gegen die Strafvollz­ugsbeschäf­tigten. Außerdem beschwerte er sich über seine Einzelhaft.

Der Anwalt des Toten bezweifelt, dass die Justiz die Briefe habe, es sei denn, die Postkontro­lle habe den Schriftver­kehr kopiert. Er gehe jedoch davon aus, dass die Briefe in der JVA gelesen worden seien.

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