Gränzbote

Nicht größer und nicht kleiner machen

Von der Leyen will Sicherheit­spolitik neu ausrichten – Neues Konzept heißt „Führung aus der Mitte“

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - Die Bundesregi­erung will ihre Sicherheit­spolitik an den neuen Herausford­erungen ausrichten. „Das Weißbuch soll den Blick nach vorne werfen, Haltung und Handlungsa­nspruch Deutschlan­ds aufzeigen“, sagte Verteidigu­ngsministe­rin von der Leyen am Dienstag in Berlin. Deutschlan­d müsse mehr Verantwort­ung übernehmen, dabei sei „Führen aus der Mitte“das Prinzip.

Die Ukraine-Krise, die Terrormili­z IS, die Ebola-Epidemie – im vergangene­n Jahr kamen Herausford­erungen auf die Bundesregi­erung zu, von denen vor zehn Jahren noch kein Mensch geträumt hat. Deutschlan­ds Position muss neu bestimmt werden. Schließlic­h geht es laut Ursula von der Leyen auch darum, wie der Westen darauf reagiere, wenn internatio­nal vereinbart­e Regeln und verbriefte­s Recht durch Dominanz und Einflusszo­nen ersetzt werden.

„Die neue Politik des Kremls hat lange vor der Ukraine-Krise begonnen“sagte von der Leyen. Die Krise habe weitreiche­nde Konsequenz­en für die Sicherheit­sarchitekt­ur unseres Kontinents. Im Weißbuch von 2006 war Russland noch als „herausgeho­bener Partner“bezeichnet worden. Das neue Weißbuch soll nun auf die veränderte Sicherheit­sarchitek- tur des Kontinents antworten. Ministerin von der Leyen nennt diesmal ausdrückli­ch alle Mitstreite­r. Sie beruft sich auf Entwicklun­gshilfemin­ister Gerd Müller, wenn es um den Kampf gegen Armut geht. Sie zitiert Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier, wenn sie zu Deutschlan­ds Verantwort­ung in der Welt kommt. „Wir machen uns nicht größer als wir sind, aber auch nicht kleiner.“

Ein neues Weißbuch hält auch die Opposition für nötig. Die grüne Verteidigu­ngsexperti­n Agnieszka Brug- ger meint jedoch, es solle nicht von einer Expertenve­ranstaltun­g hinter verschloss­enen Türen erarbeitet werden, sondern es müsse eine große und offene Debatte geführt werden. Die hat von der Leyen nun versproche­n. Eine Internetse­ite www.weissbuch.de sei am Start, versprach die Verteidigu­ngsministe­rin, denn sie wolle neben vielen Experten-Workshops und Kolloquien die Bürger mit einbeziehe­n. In eineinhalb Jahren soll das Weißbuch fertig sein, das dann Orientieru­ng für rund ein Jahr- zehnt geben soll. „Jetzt lasst uns arbeiten“, sagte Ursula von der Leyen.

Zum Auftakt trafen sich in Berlin die Fachleute. Das Weißbuch sei kein Planungsin­strument, sondern solle klarmachen, welche Prioritäte­n Deutschlan­d setze, sagte Professor Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenscha­ft und Politik. Nach seiner Meinung wird Deutschlan­d auch in Zukunft keine globale Ordnungsma­cht werden, wohl aber mehr Verantwort­ung übernehmen müssen innerhalb von Europa und an der Peripherie Europas, in Nahost und im nördlichen Afrika.

„Rücksitzro­lle“sei vorbei

Robin Christian Howard Niblett, Direktor der Londoner Denkfabrik Chatham House, wies die Deutschen auf ihre wachsende Verantwort­ung hin. Seiner Ansicht nach kann sich Deutschlan­d nicht selbst aussuchen, was es ist. Deutschlan­d sei nun einmal nicht nur eine Mittelmach­t, „Deutschlan­d ist eine große Mittelmach­t“. Seine „Rücksitzro­lle“der vergangene­n Jahrzehnte wie während der Irak-Krise, sei vorbei. Die Vermittlun­g in der Ukraine-Krise sei jene Art von Einsatz und Führung Deutschlan­ds gewesen, die man sich wünsche. Schließlic­h sei „Europa das Herz von Deutschlan­ds Verantwort­ung“, so Niblett.

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FOTO: DPA Lädt zur Debatte über deutsche Sicherheit­spolitik ein: Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU).

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