Steuert Kissing in eine finanzielle Krise?
Der erste Entwurf stand – dann kam das Hochwasser. Kissing präsentiert seinen Haushalt für das Jahr 2024. Die angespannte Finanzlage spaltet den Gemeinderat.
Erst jetzt, Ende Juli, konnte Kissing seinen Haushalt präsentieren. Kaum stand der erste Vorentwurf, wurde die Gemeinde durch die Hochwasser im Juni schwer getroffen. „Wir haben nach einem langen Prozess einen guten Abschluss gefunden. Aber die finanzielle Situation ist angespannt“, leitete Bürgermeister Reinhard Gürtner die Sitzung ein. Die Katastrophe habe verstärkt gezeigt, dass etwa für Bauhof und Feuerwehr katastrophensichere Lösungen gefunden werden müssen. „Das ist nur mit einem deutlichen Anstieg der Verschuldung zu bewerkstelligen.“Der knappe Haushalt ist umstritten. Sieben Mitglieder im Gemeinderat stimmten sogar dagegen.
Kämmerin Michaela Fischer führte aus, dass der Kissinger Haushalt mit mehreren Problemen kämpfe. Die Einnahmen steigen, aber nicht in dem Umfang, wie es die Ausgaben tun. Schuld seien Inflation, die gestiegenen Personalkosten, und auch, dass sich durch die Energiekrise einige Rechnungen von 2023 in dieses Jahr gezogen hätten. „Für diese mussten wir fast eine Viertelmillion Euro einstellen.“Durch die Hagelschäden im vergangenen Jahr seien 360.000 Euro Kosten entstanden, diese seien aber überwiegend von der Versicherung abgedeckt worden. Das Hochwasser hingegen hat deutliche Spuren im Haushalt hinterlassen. „Um die Schäden zu beheben, haben wir eine halbe Million Euro einkalkuliert.“
Die Schlüsselzuweisung, eine
Zuweisung staatlicher Mittel, ist um 800.000 Euro gesunken und liegt damit bei 1,6 Millionen Euro. Um zwei Millionen auf 8,3 Millionen Euro gestiegen ist dagegen die Kreisumlage, welche Kommunen an den Landkreis zahlen müssen. All diese Umstände tragen dazu bei, dass Kissing in diesem Haushaltsjahr eine sogenannte Negativzuführung von 1,6 Millionen Euro vom Vermögens- an den Verwaltungshaushalt leisten muss. Dieser Umstand tritt dann auf, wenn die laufenden Ausgaben einer Kommune nicht mehr durch die Einnahmen gedeckt werden. „Eine weitere Negativzuführung sollte uns nicht passieren“, sagt Fischer. Sie ist optimistisch. Schaue man sich die Zahlen an, sollten die Zuführungen an den Vermögenshaushalt in den kommenden Jahren wieder möglich sein.
In den Plänen sind zahlreiche Baumaßnahmen integriert, für rund 5,2 Millionen Euro. Doch auf Kissing kommen noch große Projekte zu. Das Bürgerbüro, ein neues Gerätehaus für die Feuerwehr, die neue Grundschule, Sanierungen der Infrastruktur: Auf einer gezeigten Grafik schießen die Investitionen gerade im Jahr 2027 massiv in die Höhe auf 22 Millionen Euro. Die allgemeine Rücklage der Gemeinde auf der anderen Seite schmelzen dahin, im Jahr 2027 auf 720.000 Euro. Die Mindestrücklage der Kommune liegt aktuell bei 266.000 Euro. Keine rosige Zukunft, wie die Kämmerin aufführt. „Gerade, wenn man die Hochwasserschäden bedenkt. Wie geht das im nächsten Jahr weiter?“. Dieses Defizit werde nicht so rasch verschwinden. „Wir werden an einen Punkt kommen, wo nicht alles Wünschenwerte noch machbar sein wird“, folgert Fischer.
Katrin Müllegger-Steiger, Fraktionsvorsitzende der Grünen, betonte den Schwerpunkt ihrer Fraktion: „Nämlich viele längst geplante Projekte umsetzen, Lechsteg, Radweg nach Hörmannsberg, der soziale Wohnungsbau.“Was ihre Fraktion positiv am Haushalt sehe, sei die sichergestellte Grundversorgung der Gemeinde. „Wir haben genug Geld für Wasser, Infrastruktur und Kinderbetreuung, das ist das Wichtigste.“
Chef der CSU-Fraktion, Michael Eder, sagte: „Manche Zahlen im Haushalt sind nicht schön. Aber, das ist wichtig, sie lassen sich erklären.“Für einige Defizite könne die Gemeinde nichts, etwa für die späte Rechnung der Energieversorger oder die Kreisumlage. „Wir müssen wieder eine ordentliche Zuführung schaffen.“
Fraktionsvorsitzende der SPD, Silvia Rinderhagen, kommentierte die Verspätung: „Letztes Jahr hätte ich mir nicht ausmalen können, dass wir den Zeitplan von 2023 heuer noch einmal toppen. Aber wir haben Verständnis, gerade bei diesen außergewöhnlichen Ereignissen.“Inhaltlich fand die Gemeinderätin kritische Worte für den Haushalt. „Seit 2021 bedienen wir uns kontinuierlich aus den Rücklagen, damals lagen sie bei 21 Millionen Euro.“Bis 2027 sollen sie jedoch fast vollständig aufgebraucht werden.
Und das, obwohl die generellen Zukunftsprognosen nicht gut aussehen. Man rechne mit Steuereinbrüchen, weiteren Bauflauten und
Firmenkrisen. „In diesen Zeiten müssen wir Investitionskosten genau planen und Abstriche machen. Ich brauche niemanden zu erinnern: Das ist nicht unser Geld, sondern das der Bürgerinnen und Bürger. Und ich habe ein schlechtes Gewissen, diese enorme Schuldenlast nachfolgenden Generationen aufzubürden.“Die SPD könne dem Haushalt deswegen nicht zustimmen. Dem schlossen sich auch einige Räte der Grünen an. Gemeinderat Ludwig Asam sagte knapp: „Der Hauptgrund sind die Kosten für die neue Grundschule. In dieser Größe ist sie für unsere Gemeinde nicht finanzierbar.“
Bürgermeister Gürtner entegnete, die Gemeinde arbeitet nicht nur den Investitionsstau der vergangenen fünf, sondern der vergangenen 20 Jahre ab. „Wir haben in Zukunft viele Herausforderungen. Lassen Sie uns sie gemeinsam anpacken.“Schlussendlich wurde der Haushalt mit sieben Gegenstimmen beschlossen.