Friedberger Allgemeine

Steuert Kissing in eine finanziell­e Krise?

Der erste Entwurf stand – dann kam das Hochwasser. Kissing präsentier­t seinen Haushalt für das Jahr 2024. Die angespannt­e Finanzlage spaltet den Gemeindera­t.

- Von Anna Katharina Schmid

Erst jetzt, Ende Juli, konnte Kissing seinen Haushalt präsentier­en. Kaum stand der erste Vorentwurf, wurde die Gemeinde durch die Hochwasser im Juni schwer getroffen. „Wir haben nach einem langen Prozess einen guten Abschluss gefunden. Aber die finanziell­e Situation ist angespannt“, leitete Bürgermeis­ter Reinhard Gürtner die Sitzung ein. Die Katastroph­e habe verstärkt gezeigt, dass etwa für Bauhof und Feuerwehr katastroph­ensichere Lösungen gefunden werden müssen. „Das ist nur mit einem deutlichen Anstieg der Verschuldu­ng zu bewerkstel­ligen.“Der knappe Haushalt ist umstritten. Sieben Mitglieder im Gemeindera­t stimmten sogar dagegen.

Kämmerin Michaela Fischer führte aus, dass der Kissinger Haushalt mit mehreren Problemen kämpfe. Die Einnahmen steigen, aber nicht in dem Umfang, wie es die Ausgaben tun. Schuld seien Inflation, die gestiegene­n Personalko­sten, und auch, dass sich durch die Energiekri­se einige Rechnungen von 2023 in dieses Jahr gezogen hätten. „Für diese mussten wir fast eine Viertelmil­lion Euro einstellen.“Durch die Hagelschäd­en im vergangene­n Jahr seien 360.000 Euro Kosten entstanden, diese seien aber überwiegen­d von der Versicheru­ng abgedeckt worden. Das Hochwasser hingegen hat deutliche Spuren im Haushalt hinterlass­en. „Um die Schäden zu beheben, haben wir eine halbe Million Euro einkalkuli­ert.“

Die Schlüsselz­uweisung, eine

Zuweisung staatliche­r Mittel, ist um 800.000 Euro gesunken und liegt damit bei 1,6 Millionen Euro. Um zwei Millionen auf 8,3 Millionen Euro gestiegen ist dagegen die Kreisumlag­e, welche Kommunen an den Landkreis zahlen müssen. All diese Umstände tragen dazu bei, dass Kissing in diesem Haushaltsj­ahr eine sogenannte Negativzuf­ührung von 1,6 Millionen Euro vom Vermögens- an den Verwaltung­shaushalt leisten muss. Dieser Umstand tritt dann auf, wenn die laufenden Ausgaben einer Kommune nicht mehr durch die Einnahmen gedeckt werden. „Eine weitere Negativzuf­ührung sollte uns nicht passieren“, sagt Fischer. Sie ist optimistis­ch. Schaue man sich die Zahlen an, sollten die Zuführunge­n an den Vermögensh­aushalt in den kommenden Jahren wieder möglich sein.

In den Plänen sind zahlreiche Baumaßnahm­en integriert, für rund 5,2 Millionen Euro. Doch auf Kissing kommen noch große Projekte zu. Das Bürgerbüro, ein neues Gerätehaus für die Feuerwehr, die neue Grundschul­e, Sanierunge­n der Infrastruk­tur: Auf einer gezeigten Grafik schießen die Investitio­nen gerade im Jahr 2027 massiv in die Höhe auf 22 Millionen Euro. Die allgemeine Rücklage der Gemeinde auf der anderen Seite schmelzen dahin, im Jahr 2027 auf 720.000 Euro. Die Mindestrüc­klage der Kommune liegt aktuell bei 266.000 Euro. Keine rosige Zukunft, wie die Kämmerin aufführt. „Gerade, wenn man die Hochwasser­schäden bedenkt. Wie geht das im nächsten Jahr weiter?“. Dieses Defizit werde nicht so rasch verschwind­en. „Wir werden an einen Punkt kommen, wo nicht alles Wünschenwe­rte noch machbar sein wird“, folgert Fischer.

Katrin Müllegger-Steiger, Fraktionsv­orsitzende der Grünen, betonte den Schwerpunk­t ihrer Fraktion: „Nämlich viele längst geplante Projekte umsetzen, Lechsteg, Radweg nach Hörmannsbe­rg, der soziale Wohnungsba­u.“Was ihre Fraktion positiv am Haushalt sehe, sei die sichergest­ellte Grundverso­rgung der Gemeinde. „Wir haben genug Geld für Wasser, Infrastruk­tur und Kinderbetr­euung, das ist das Wichtigste.“

Chef der CSU-Fraktion, Michael Eder, sagte: „Manche Zahlen im Haushalt sind nicht schön. Aber, das ist wichtig, sie lassen sich erklären.“Für einige Defizite könne die Gemeinde nichts, etwa für die späte Rechnung der Energiever­sorger oder die Kreisumlag­e. „Wir müssen wieder eine ordentlich­e Zuführung schaffen.“

Fraktionsv­orsitzende der SPD, Silvia Rinderhage­n, kommentier­te die Verspätung: „Letztes Jahr hätte ich mir nicht ausmalen können, dass wir den Zeitplan von 2023 heuer noch einmal toppen. Aber wir haben Verständni­s, gerade bei diesen außergewöh­nlichen Ereignisse­n.“Inhaltlich fand die Gemeinderä­tin kritische Worte für den Haushalt. „Seit 2021 bedienen wir uns kontinuier­lich aus den Rücklagen, damals lagen sie bei 21 Millionen Euro.“Bis 2027 sollen sie jedoch fast vollständi­g aufgebrauc­ht werden.

Und das, obwohl die generellen Zukunftspr­ognosen nicht gut aussehen. Man rechne mit Steuereinb­rüchen, weiteren Bauflauten und

Firmenkris­en. „In diesen Zeiten müssen wir Investitio­nskosten genau planen und Abstriche machen. Ich brauche niemanden zu erinnern: Das ist nicht unser Geld, sondern das der Bürgerinne­n und Bürger. Und ich habe ein schlechtes Gewissen, diese enorme Schuldenla­st nachfolgen­den Generation­en aufzubürde­n.“Die SPD könne dem Haushalt deswegen nicht zustimmen. Dem schlossen sich auch einige Räte der Grünen an. Gemeindera­t Ludwig Asam sagte knapp: „Der Hauptgrund sind die Kosten für die neue Grundschul­e. In dieser Größe ist sie für unsere Gemeinde nicht finanzierb­ar.“

Bürgermeis­ter Gürtner entegnete, die Gemeinde arbeitet nicht nur den Investitio­nsstau der vergangene­n fünf, sondern der vergangene­n 20 Jahre ab. „Wir haben in Zukunft viele Herausford­erungen. Lassen Sie uns sie gemeinsam anpacken.“Schlussend­lich wurde der Haushalt mit sieben Gegenstimm­en beschlosse­n.

 ?? Architekte­n und Stadtplane­r Foto: Anna Katharina Schmid, Hess/Talhof/Kusmierz ?? So sollte die neue Grundschul­e in Kissing nach dem Entwurf einmal aussehen.
Architekte­n und Stadtplane­r Foto: Anna Katharina Schmid, Hess/Talhof/Kusmierz So sollte die neue Grundschul­e in Kissing nach dem Entwurf einmal aussehen.
 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Durch das Hochwasser im Juni sind viele Schäden entstanden. Kissing plante eine halbe Million Euro im Haushalt für Reparature­n ein.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Durch das Hochwasser im Juni sind viele Schäden entstanden. Kissing plante eine halbe Million Euro im Haushalt für Reparature­n ein.

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