Söders einzige Chance: Erst einmal abwarten
Der CSU-Chef wird nach dem Wahldebakel der Union zuerst an seine eigene Partei in Bayern denken. Die Landtagswahl 2023 ist ihm wichtiger als Jamaika
Also, nur mal angenommen, Markus Söder würde nur an sich und die CSU denken und insgeheim – er würde das mit Sicherheit bestreiten – den Gedanken, vielleicht doch noch Bundeskanzler zu werden, nicht aufgegeben haben – was müsste er dann tun?
Richtig. Er müsste ganz genau das tun, was er tut: Vorsichtig auf Distanz zu Armin Laschet gehen und erst einmal abwarten.
Die erste Entscheidung, wie es mit Laschet weitergeht, trifft die CDU. Die CSU kann darauf nicht direkt Einfluss nehmen. Königsmörder können nicht König werden. Sie können nur spekulieren, was geschehen würde, wenn der König nicht mehr da ist, und sich auf diese Situation vorbereiten.
Zu wissen, was wahrscheinlich geschehen wird, ist nicht so schwer: Die Lage der CDU ist denkbar ungünstig. Die Wähler haben ihr mehrheitlich das Vertrauen entzogen. Die Selbstgewissheit der Partei ist dahin. Und klar ist obendrein, dass eine große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger sich Olaf Scholz als Kanzler wünscht.
Das wissen auch FDP und Grüne. Werden sie sich gegen den Willen der Mehrheit entscheiden und einen Verlierer zum Kanzler machen? Das ist, auch wenn sich die parteitaktischen Hakeleien im Vorfeld von Sondierungsgesprächen und Koalitionsverhandlungen noch eine Weile hinziehen werden, höchst unwahrscheinlich.
In dieser Situation wird die CSU jede ernsthafte Hilfeleistung für Laschet unterlassen. Söder hat den „Anspruch“der Union auf die Regierungsbildung schon zu einem „Angebot“heruntergestuft und jeder „Anbiederung“an Grüne und FDP eine klare Absage erteilt. Auch er muss darauf achten, dass der Markenkern der Union nicht durch weitgehende Zugeständnisse an zwei deutlich dynamischere Koalitionspartner völlig zerbröselt. Denn auch die CSU in Bayern ist mit 31,7 Prozent im Moment nur noch ein Schatten ihrer selbst.
Ein von der CDU erzwungener Rückzug Laschets aus der ersten Reihe würde eine neue Situation schaffen. Die Vorstellung, dass die CDU dann in München angekrochen kommt und Söder bittet, die Führung zu übernehmen, ist reichlich absurd. Der aktuell einzige starke Mann der Union stand nicht zur Wahl. Das Wahlvolk würde sich zurecht veräppelt fühlen. Und dass Söder mit einer ebenso blutleeren wie unberechenbaren CDU an seiner Seite ins volle Risiko gehen würde, ist nicht zu erwarten.
Kurz gesagt: Seit die CDU damit begonnen hat, ihren Chef Stück für Stück zu demontieren, ist der Weg für die Union in die Opposition vorgezeichnet. Lieber nicht regieren, als auch noch den letzten Rest konservativer Identität aufgeben.
Der CSU und ihrem Vorsitzenden kann das mit Blick auf die bayerischen Landtagswahlen in zwei Jahren nur recht sein. Söder könnte das tun, was die CSU schon immer am besten kann: Ein lupenreines politisches Kontrastprogramm zu einer SPD-geführten Bundesregierung inszenieren. Da kommt dann alles Übel aus Berlin, im Freistaat gilt „Bayern first“und die leidende Seele der CSU wäre wieder mit sich im Reinen.
Nur in diesem Szenario kann Söder nach drei Wahlschlappen unter seiner Regie ernsthaft hoffen, das Ruder für die CSU wieder herumzureißen. Eine vierte Wahlschlappe würde ihm seine Partei nicht verzeihen. Söder hat nur noch eine Gnadenfrist. Nur wenn er die zwei Jahre nutzt und die CSU in Bayern wieder an die 40 Prozent heranführt, bleibt er in der CSU die unumstrittene Nummer eins.
Und wenn sich dann noch herausstellt, dass SPD, Grüne und Liberale im Bund nicht reüssieren, könnte er eine zweite Chance bekommen. Was würde er dann tun – nur mal angenommen?
Wenn die Ampel regiert, gilt in München „Bayern first“