Die Frage der Woche
Auf Bügeln ganz verzichten?
Es gibt Menschen, die sich in vielen Bereichen des Lebens gerne mehr Aufwand als nötig machen. Sei es beim Einpacken von Weihnachtsgeschenken, beim Kochen und Essen anrichten, bei der Geburtstagsdeko oder auch beim Wäsche machen und Bügeln. Ich gehöre nicht dazu. Und gerade beim letzten Punkt stößt das bei manchen Leuten auf ziemlichen Unglauben, der sich meist mit einem schockierten Blick gepaart äußert. „Wie, du bügelst gar nichts?? Nicht mal Blusen??“
Mal abgesehen davon, dass ich die letzte Bluse wahrscheinlich beim Bewerbungsgespräch für diese Zeitung getragen habe, finde ich das Bügeln einfach nur zeitraubend und unnötig. Anders als in meiner jetzigen Wohnsituation (weder meine Mitbewohnerin noch ich besitzen Bügeleisen oder Bügelbrett) habe ich als älteste Tochter zu Hause manchmal diese Aufgabe übernommen. Tischdecken
und Handtücher (warum auch immer man Handtücher bügelt) waren meine „Lieblingsware“– weil: einfach. Die Hemden von Papa habe ich der Mama überlassen. Die ist im Gegensatz zu ihrer Tochter Bügel-Profi. Meinen Bügel-Boykott könnte man auch als feministischen Akt bezeichnen. Als ich mich mit 18 Jahren gefragt habe, welche Haushaltsgeräte ich mir für die eigene Wohnung anschaffen muss, hat es ein Waffeleisen geschafft hat, während an das Bügeleisen kein Gedanken verschwendet wurde. Der Auszug war sozusagen der Beginn meines Bügel-Boykotts. Der hält seit über sechs Jahren an. Bis jetzt hat sich nie jemand über mein Auftreten oder verknitterte Klamotten beschwert. Im Gegenteil: Wer seine Kleidung nach dem Waschen kräftig ausschüttelt, glatt zieht und schön auf die Leine hängt, muss auch gar nicht zum Bügeleisen greifen. Und lebt effizienter.
Haushaltstätigkeiten haben einen ziemlich miesen Ruf. Putzen, Waschen, vor allem aber Bügeln. Die wundersame Technikrevolution hat vieles einfacher gemacht – man denke nur, wie viel Zeit und Mühe die Wäsche gemacht hat, bevor es die Waschmaschine gegeben hat. Aber ein paar Sachen fordern einfach immer noch Geduld: eben das Bügeln, die am meisten gehasste Tätigkeit. Zu Unrecht.
Das Bügeln ist ja nicht vollkommen sinnlos, auch wenn es einem vorkommt, als ob sich ein Hamsterrad dreht, das nie zum Stillstand kommt. Man bügelt morgens, um festzustellen, dass die Kleidung abends schon wieder getragen ausschaut, man bügelt auf Vorrat, um eine Woche später zu bemerken, dass neue Vorräte angelegt werden müssen.
Aber: Hemden, die auf Kleiderbügeln trocknen und von dort direkt auf den Körper wandern, die das Bügeln überspringen, schauen traurig aus: Das sind keine kunstvollen Faltenwürfe, sondern zerknautschte und verschrumpelte Oberflächen, die wirken, als ob sie weit vor ihrer Zeit gealtert sind. Da tritt der schöne Stoff, der passende Schnitt, das wunderbare Muster in den Hintergrund und wird zur Nebensache. Und das Hemd formuliert eine stumme Botschaft: Es wird nicht geschätzt, so wenig wie das Gegenüber.
Für eine Renaissance des Bügelns wird dieses Argument natürlich nicht sorgen. Nein, dafür muss das Bügeln als Tätigkeit neu definiert werden, nicht mehr als lästige Hausarbeit, sondern als gelebte Einkehr. Kein Blick mehr auf die Uhr dabei, kein panisches Durchrechnen, wie lange es noch dauert, bis die Hemden oder Blusen gebügelt sind, stattdessen den Moment genießen, in dem wir etwas zu tun haben, das nicht anstrengt und nicht überfordert.